Deutschland: Steinmeier, die Antithese zu Donald Trump

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Der 5 Staatsbesuch der K�nigin von Gro�britannien Queen Elizabeth II am Mittwoch 24 06 2015(c) imago/Wiegand Wagner (imago stock&people)
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Kanzlerin Angela Merkel redete sich den SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier als nächsten Bundespräsidenten schön. In der Union gibt es allerdings auch Kritik.

Berlin. Jetzt, im Nachhinein, sieht es so aus, als hätte sich die Bundesregierung aus Union und SPD ganz bewusst für Frank-Walter Steinmeier als nächsten Bundespräsidenten entschieden. Der 60-Jährige ist ein besonnener und erfahrener Politiker, beliebt, weltoffen, international anerkannt, also so etwas wie die Antithese zu Donald Trump.

Kanzlerin Angela Merkel nannte Steinmeier einen „Mann der Mitte“ und begründete damit, warum die Union bei der Wahl am 12. Februar ausgerechnet einen SPD-Politiker unterstützen wird. In unsicheren Zeiten wie diesen sei der Noch-Außenminister „ein Zeichen für Stabilität“, sagte Merkel.

Das ist – auch wenn man das deutsche nicht mit dem Präsidentenamt in den USA vergleichen kann – eine marketingtaugliche Erzählung, aber eben nur die halbe Wahrheit. CDU und CSU haben am Montag auch deshalb grünes Licht für Steinmeier gegeben, weil sie in den eigenen Reihen keine adäquate Alternative gefunden haben. Der logische Unionskandidat, Bundestagspräsident Norbert Lammert, wollte nicht. Er wird sich nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 aus der Politik zurückziehen.

Dann war da noch die schwarz-grüne Option: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In der Bundesversammlung, die je zur Hälfte vom Bundestag und den Ländern beschickt wird, hätten Union und Grüne eine absolute Mehrheit. Doch Horst Seehofer wollte Kretschmann nicht. Der CSU-Chef plant einen Wahlkampf gegen Rot-Rot-Grün – 2017 im Bund und ein Jahr später in Bayern. Da passt es nicht ins Bild, wenn man beim Bundespräsidenten gemeinsame Sache mit den Grünen macht.

Ursprünglich hatten sich Merkel, Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel auf einen überparteilichen Kandidaten verständigt. Doch alle, die infrage gekommen waren, sagten ab. Andreas Voßkuhle zum Beispiel, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Oder die evangelische Theologin Margot Käßmann, bei der zumindest Gabriel angeklopft hatte. Am Ende blieb Merkel nichts anderes übrig, als sich für Steinmeier zu entscheiden, den Gabriel ins Rennen geschickt hatte, als klar war, dass das mit dem gemeinsamen Kandidaten nichts mehr wird.

Merkels Präsidentendrama

In Merkels persönlichem Präsidentendrama ist Steinmeier der nunmehr vierte Akt. Horst Köhler, den sie 2004 noch aus der Opposition heraus mit der FDP durchgesetzt hatte, trat 2010 überraschend zurück. Christian Wulff stolperte zwei Jahre später über den Verdacht der Spendenannahme (von dem er später freigesprochen wurde). Joachim Gauck wurde der Kanzlerin von SPD, Grünen und FDP aufgezwungen. Auch damals schwenkte Merkel erst im letzten Moment um.

In der Union regte sich am Montag auch Kritik. Steinmeier sei „sicher kein optimaler Kandidat für uns“, sagte der EU-Abgeordnete Manfred Weber (CSU). Finanzminister Wolfgang Schäuble soll intern von einer Niederlage gesprochen haben. Weniger wegen Steinmeier, mit dem die meisten Unionspolitiker gut können. Sondern, weil man keinen eigenen Kandidaten gefunden hat. Immerhin sind CDU und CSU mit rund 43 Prozent die mit Abstand stärkste Fraktion in der Bundesversammlung. Die SPD kommt auf auf nicht einmal 31 Prozent. Allerdings war auch Schäuble zwischenzeitlich für das Bundespräsidentenamt im Gespräch. Mangels Chancen wurde diese Option aber wieder verworfen – der Finanzminister ist in den anderen Fraktionen nicht sonderlich beliebt.

Altkanzler Gerhard Schröder, unter dem Steinmeier einst Kanzleramtschef war, goss Öl ins Feuer: „Respekt der CDU, dass sie sich durchgerungen haben.“ Der nächste Präsident sei „einer der Besten, den wir bekommen können“. Steinmeier selbst äußerste sich am Rande des Außenministertreffens in Brüssel zurückhaltend. Auf die Frage, wie es ihm gehe, sagte er: „Ich bin gefasst.“

Offen ist, wer ihm als Außenminister nachfolgen soll. Als Favorit gilt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Denkbar ist auch, dass Gabriel ins Außenamt wechselt. Und dann gibt es noch eine Erkenntnis aus der Steinmeier-Kür: Eine Fortsetzung der Großen Koalition im Herbst 2017 ist damit wieder wahrscheinlicher geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2016)

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