Und jetzt warten alle auf Angela Merkel

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In der CDU gibt es kaum noch Zweifel, dass die Kanzlerin weitermacht. Die Frage ist, wann sie es verkündet. Innenpolitisch hilft ihr nun ausgerechnet Donald Trump.

Berlin. Diese Woche wird es wahrscheinlich nichts mehr. Seit Mittwochabend ist US-Präsident Barack Obama ihr Gast in Berlin, am Freitag stoßen der Franzose François Hollande, die Britin Theresa May, der Italiener Matteo Renzi und der Spanier Mariano Rajoy dazu. Angela Merkel dürfte also zu beschäftigt sein, um in den nächsten Tagen jene Frage zu beantworten, die sich Deutschland seit Monaten stellt: Wird sie bei der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres erneut für die Kanzlerschaft kandidieren?

Sie wird. Davon ist zumindest Norbert Röttgen überzeugt. Jetzt, da Donald Trump US-Präsident werde, sei die Kanzlerin „absolut entschlossen, gewillt und bereit, dazu beizutragen, dass die internationale liberale Ordnung gestärkt wird“, sagte der CDU-Abgeordnete am Dienstagabend gegenüber CNN. Einige Medien machten eine Eilmeldung daraus. Dabei war weniger bemerkenswert, was Röttgen sagte, sondern dass ausgerechnet er es sagte. Immerhin war er der einzige Minister (von 2009 bis 2012 im Umweltressort), den Merkel jemals rausgeschmissen hat.

Regierungssprecher Steffen Seibert beeilte sich, die Dinge wieder zurechtzurücken: „Es bleibt dabei. Zur Frage, ob sie noch einmal kandidiert, wird sich die Bundeskanzlerin zum geeigneten Zeitpunkt äußern.“ Wobei in der CDU kaum noch jemand bezweifelt, dass Merkel weitermachen will. So gesehen hatte Röttgen recht. Es scheint jetzt nur noch um den richtigen Zeitpunkt zu gehen.

Viel Zeit bleibt nicht mehr

Unwahrscheinlich ist, dass Merkel bis zum CDU-Parteitag, der vom 5. bis 7. Dezember in Essen stattfindet, zuwartet. Ihre Partei wüsste gern, woran sie ist, bevor sie Merkel erneut zur Parteivorsitzenden wählt. Noch unwahrscheinlicher ist, dass die Kanzlerin den Parteitag verstreichen lässt, ehe sie sich erklärt. Sie selbst hat gesagt, dass beide Ämter – die Kanzlerschaft und der Parteivorsitz – in eine Hand gehörten. Demnach bleibt ihr nicht mehr viel Zeit: nur noch knapp drei Wochen.

Die andere Frage ist, warum das so lang dauert. Wollte sich Merkel von der Partei bitten lassen? Spannung aufbauen? Oder die chronisch kritische Schwesterpartei in Bayern unter Druck setzen? Das alles ist gelungen. Hochrangige Parteifreunde, von ihrer Stellvertreterin Julia Klöckner abwärts, haben der Kanzlerin geschmeichelt. In den Medien wird seit dem Spätsommer spekuliert. Und der Flüchtlingsstreit mit der CSU ist mittlerweile befriedet. Parteichef Horst Seehofer, das weiß Merkel seit Wochen, würde ihre Spitzenkandidatur unterstützen.

Zuletzt kamen ihr jedoch andere Ereignisse dazwischen. Nicht zuletzt die Wahl in den Vereinigten Staaten. Wobei ausgerechnet Donald Trump ein innenpolitischer Vorteil für Merkel sein könnte. Die renommierte „New York Times“ erklärte die deutsche Kanzlerin am Wochenende zur „letzten Verteidigerin des freien Westens“. Es passt ins Bild, dass Obama eigens nach Berlin gekommen ist, um sich von seiner „engsten Verbündeten“ zu verabschieden. Ob gewollt oder nicht: Das sieht nach einer Art Staffelübergabe aus. Und dieser Blick von außen wertet natürlich auch Merkels Position im Inland auf.

Außerdem lenkt er von einer parteipolitischen Blamage ab. Denn die Kanzlerin war nicht in der Lage, innerhalb der Union eine Person zu finden, die es bei der Bundespräsidentenwahl am 12. Februar mit dem Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier aufnehmen kann (den grünen Winfried Kretschmann wollte Seehofer nicht). Am Ende blieb Merkel nichts anderes übrig, als den Außenminister zum gemeinsamen Kandidaten der Regierungsparteien zu erklären.

Am Mittwoch, bei der Präsentation im Bundestag, lieferte sie eine passende Begründung nach: Steinmeier sei „der richtige Kandidat in dieser Zeit“, ein Mann, dem die Bürger vertrauen könnten. Wegen seiner Bodenständigkeit. „Und seiner Kenntnis der Welt.“

Steinmeier, der als Bundespräsident „ein Mutmacher und kein Vereinfacher“ sein will, bedankte sich artig, und damit war zumindest die eine leidige Personalie, die Deutschland seit Wochen beschäftigt, geklärt.

Fehlt also nur noch die andere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

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