Die Achse Berlin - Washington wird brüchig

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Barack Obamas Berlin-Besuch markierte das Ende einer Ära. Mit Donald Trump werden die USA unberechenbarer – auch für Angela Merkel.

Berlin. Nicht immer war alles gut zwischen den beiden. In der Griechenland-Frage zum Beispiel ist Barack Obama nach wie vor anderer Meinung als Angela Merkel. Er würde, wie er diese Woche in Athen sagte, einen Schuldenschnitt begrüßen. Sie nicht. Es gab Dispute beim Thema Freihandel und mindestens einmal dicke Luft, nämlich nach den Lauschangriffen der NSA, die auch Merkels Handy abgehört haben soll. „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“, sagte die deutsche Kanzlerin damals.
Aber im Wesentlichen war die Achse Berlin–Washington in den sich zu Ende neigenden acht Obama-Jahren intakt. „Ich hätte mir keine standfestere, zuverlässigere Partnerin auf der Weltbühne vorstellen können“, sagte der scheidende US-Präsident am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit Merkel im Berliner Kanzleramt. Doch diese Zeit ist nun vorbei. Obama ist nur noch bis 20. Jänner im Amt, danach kommt Donald Trump, die große Unbekannte der Weltpolitik.

Am Tag nach der US-Wahl bot Merkel dem nächsten Präsidenten eine enge Zusammenarbeit an, aber auf Basis westlicher Werte. Das klang nach einer Mahnung, war aber auch Ausdruck eines tiefen Unbehagens. Obama versuchte die Kanzlerin bei seinem Abschiedsbesuch in Deutschland zu beruhigen: Die USA seien eine gefestigte Demokratie, mit einer intakten Gewaltenteilung. Daran werde auch Trump nichts ändern.

Doch etliche Fragen bleiben offen. Niemand weiß, ob sich die USA, wie Trump im Wahlkampf angekündigt hat, militärisch aus Europa zurückziehen. In Polen und den baltischen Staaten geht die Angst um, dass Russland dann Gebietsansprüche aus Zeiten der Sowjetunion stellen könnte. Und wie steht Trump eigentlich zur Annexion der Krim?

Merkel will an TTIP festhalten

Trump werde seine Politik zwar nicht fortführen, sagte Obama. Er glaube aber nicht, dass er Deals mit Russland eingehen werde, die neue Probleme schaffen, etwa in Syrien. Und das, obwohl Trump dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seine Bewunderung ausgedrückt hat. Sollte er sich doch auf Putins Seite schlagen, wäre Europa auf sich alleine gestellt. Unabhängig davon, sagte Merkel, müssten sich die Europäer innerhalb der Nato „mehr engagieren“. Auch Deutschland.
Wirtschaftspolitisch ist Trump leichter auszurechnen – was die Sache nicht einfacher macht. Auch hier gilt für ihn: „America first.“ Doch Merkel möchte das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP noch nicht aufgeben. Es könne zwar im Moment nicht unter Dach und Fach gebracht werden. „Aber wir werden am Erreichten festhalten und eines Tages darauf zurückkommen.“ Obama sieht das ähnlich: Es sei wichtig, dass die Verhandlungen fortgesetzt würden.

Am Ende erwies er seiner Gefährtin noch einen letzten Freundschaftsdienst: Wäre er Deutscher, würde er Merkel wählen. Das Timing war so gut, dass man fast nicht an Zufall glauben mochte. Denn laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland wird sich die Kanzlerin am Sonntag zu ihrer persönlichen Zukunft äußern. In der CDU geht man davon aus, dass sie bei der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres erneut kandidiert.
Umgekehrt wurde Merkel gefragt, ob ihr der Abschied von Obama schwer falle. „Natürlich“, antwortete sie, um dann – gewohnt nüchtern – hinzuzufügen: „aber wir sind auch alle Politiker. Und die Demokratie lebt nun mal vom Wechsel.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)

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