„Donald Trump ist ein 13-Jähriger im Körper eines 70-Jährigen“

U.S. President-elect Donald Trump gestures to the news media as he appears outside the main clubhouse at Trump National Golf Club in Bedminster
U.S. President-elect Donald Trump gestures to the news media as he appears outside the main clubhouse at Trump National Golf Club in Bedminster(c) REUTERS (MIKE SEGAR)
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Trump-Biograf David Cay Johnston hält den Präsidenten für einen Hochstapler: Europa müsse extrem wachsam sein.

Die Presse: Hätten Sie für möglich gehalten, dass Donald Trump die Wahl gewinnt?

David Cay Johnston: Eine Woche vor der Wahl haben Trumps Leute angedeutet, dass er wohl verlieren wird. Bis dahin habe ich immer gedacht, dass es zwar unwahrscheinlich ist, dass er gewinnt, aber nicht unmöglich. Aber dann habe ich seinen Leuten geglaubt. Das war ein Fehler.

Sie beschäftigen sich seit 28 Jahren mit Donald Trump. Wie würden Sie seine Persönlichkeit beschreiben?

Er ist ein Meister im Verkaufen, der unglaublich charmant sein kann, wenn er etwas will. Sein wahres Ich zeigt er nicht. Das, was man sieht, ist eine Maske. Er spielt eine Rolle.

Es gab mit Ronald Reagan schon einmal einen Schauspieler im Präsidentenamt.

Bei Reagan war es ähnlich. Er hat diesen smarten Mann gespielt, obwohl er nicht besonders klug war. Aber Reagan hatte im Gegensatz zu Trump einen politischen Instinkt.

Was befindet sich hinter Trumps Maske?

Er ist ein Narzisst, ein Hochstapler, er will als Don Juan Amerikas gelten. Emotional befindet sich dieser Mann auf der Entwicklungsstufe eines Pubertierenden. Donald Trump ist ein 13-Jähriger im Körper eines 70-Jährigen.

Woraus schließen Sie das?

Ich denke, dass seine Entwicklung in diesem Alter gehemmt wurde. Sein Vater hatte ihn auf eine Militärakademie geschickt. Trump selbst hat einmal erzählt, dass die Jüngeren dort von den Älteren brutal behandelt wurden. Menschen, die in der Pubertät gedemütigt wurden, sind als Erwachsene meist verhaltensauffällig. Trump passt in dieses Profil.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Trump mit Kriminellen zusammengearbeitet hat.

Ich kann das auch beweisen. Er hat sich mit gewalttätigen Straftätern, russischen Mafiosi und einem berüchtigten Kokainhändler umgeben, nur um Geld zu verdienen.

Ist er selbst ein Krimineller?

Er wurde nie eines Verbrechens überführt, aber es wurde oft gegen ihn ermittelt. Viele Leute, die Verbrechen begangen haben, wurden nie verurteilt. Ich mag keine Nazi-Vergleiche, aber jetzt mache ich einen: Bei Hitler und Goebbels war es nicht anders.

Warum haben die Amerikaner Trump zu ihrem Präsidenten gewählt?

Die unteren 90 Prozent haben – statistisch gesehen – seit einem halben Jahrhundert dasselbe Einkommen. Die Gründe dafür hat Trump nie erwähnt: dass die Gehälter gesetzlich unten gehalten wurden. Und dass die restlichen zehn Prozent, zu denen auch er gehört, davon profitiert haben. Stattdessen hat Trump ganz einfache Antworten gegeben, mit denen diese Menschen etwas anfangen können: Schuld sind die Mexikaner, die Muslime, die Chinesen, der „Idiot im Weißen Haus“.

Wen meinen Sie mit „diese Menschen“?

Den Unterschied bei der Wahl haben Weiße aus der Arbeiterklasse gemacht. Leute, die ihre Jobs verloren haben und denen es richtig schlecht geht. In den USA gibt es kein soziales Sicherheitsnetz wie in Deutschland und Österreich. Diese Menschen haben Angst, sie lesen meine Bücher nicht. Und dann kommt Trump und sagt: Ich allein kann eure Probleme lösen. Wobei man dazu sagen muss: Hillary Clinton hat auch verloren, weil gleichzeitig viele Demokraten zu Hause geblieben sind.

Was ist Trumps politische Idee?

Er hat keine. Ihm geht es nur um die Größe von Donald Trump. Er will als größter Präsident der USA in die Geschichte eingehen. Deswegen wird er sich auch ernsthaft bemühen. Aber ich glaube nicht, dass er die Fähigkeiten und die Reife für dieses Amt hat.

Was ist von ihm als Präsident zu erwarten?

Das Unheimliche ist: Wir wissen es nicht. Wir haben es mit jemandem zu tun, der weder etwas von Politik noch von militärischen Fragen versteht. Der die Verfassung nicht kennt. Der keine internationalen Kontakte hat. Der – das wage ich zu behaupten – noch nicht einmal die Staaten auf einer Weltkarte zuordnen könnte. Der Rache zu seinem Grundprinzip erklärt hat. Dieser Jemand bekommt jetzt unglaublich viel Macht. Das könnte noch viele Probleme verursachen.

Was raten Sie Europa?

Die Kräfteverhältnisse werden sich ändern. Trump hat eine lange Geschichte mit russischen Oligarchen. Und er möchte Wladimir Putin die Hand reichen. Ich weiß nicht, was da vor sich geht. Aber Europa muss extrem wachsam sein.

Das klingt jetzt ein wenig nach Weltuntergang.

Das ist übertrieben. Trump wird nur jene Teile des Amtes ausfüllen, die ihm gefallen. Der eigentliche Präsident wird höchstwahrscheinlich Vizepräsident Mike Pence sein.

Wie bewerten Sie Trumps Team? Da treffen Personen aus dem Establishment auf Personen, die das Establishment immer bekämpft haben. Kann das gut gehen?

Der Einzige aus dem Establishment ist der Parteivorsitzende der Republikaner, Reince Priebus. Er wird unter Trump Stabschef im Weißen Haus. Alle anderen sind Extremisten. Denken Sie nur an Steve Bannon, den Trump zu seinem Chefstrategen gemacht hat. Das ist ein sehr schlauer Kopf, aber ein Rassist und ein Antisemit. Bannon hat eine Nachrichtenseite betrieben und die wildesten Verschwörungstheorien publiziert. Unter anderem hat er behauptet, dass der Republikaner Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses, ein geheimer Doppelagent ist, der für Hillary Clinton arbeitet. Das ist doch verrückt.

Gab es vergleichbare Präsidenten in der Geschichte der USA?

Wir hatten Präsidenten, die ahnungslos waren, aber keine schlechten Menschen: George W. Bush zum Beispiel. Wir hatten einen Paranoiden, nämlich Richard Nixon. Und wir hatten, vor 200 Jahren, mit Andrew Jackson auch schon mal einen Rassisten und Indianerhasser. Aber einen unqualifizierten, emotional unreifen Hochstapler, der mit Kriminellen Geschäfte macht, hatten wir noch nie.

Haben Sie eigentlich Angst vor Trump? Ich meine: Das, was Sie über ihn sagen, wird ihm vermutlich nicht gefallen.

Nein, mit Angst kann man meinen Job nicht machen. Ich decke Dinge auf, von denen man sonst nichts wissen würde. Und wenn mir etwas passiert, dann passiert mir eben etwas.

Gibt es denn auch gute Seiten an der Person Trump?

Er hat den Trump-Tower gebaut, mit 58 Stockwerken, mitten in Manhattan. Ob einem das Gebäude gefällt oder nicht: Das ist eine Leistung. Er hat es von einem Kind in Queens – einem reichen Kind zwar, aber trotzdem – ganz hinauf geschafft. Seine Name ist eine Marke, jeder in den USA kennt Donald Trump. Und nicht erst seit der Präsidentschaftswahl. Das ist schon bewundernswert.

ZUR PERSON

David Cay Johnston, 67, ist einer der profiliertesten Investigativjournalisten der USA. Er arbeitete unter anderem für die „New York Times“ und die „Los Angeles Times“. Für „Beat Reporting“, seine Enthüllungen zu verdeckten Steuerschlupflöchern, erhielt er im Jahr 2001 den Pulitzerpreis. [ Ecowin ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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