Afghanistan: Angst im Weißen Haus vor „Obamas Krieg“

(c) AP (Brennan Linsley)
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In Washington wächst die Sorge vor einem „zweiten Vietnam“ – einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist.

WASHINGTON. Nur wenige Stunden wird sich Barack Obama heute auf dänischem Boden aufhalten. Lange hatte der US-Präsident aus innenpolitischen Gründen mit seiner Entscheidung für den Kurztrip nach Kopenhagen gezaudert. Letztlich haben ihn seine Frau Michelle und seine Beraterin Valerie Jarrett – zwei stolze Töchter Chicagos – überzeugt, sich bei der Kür der Olympischen Spiele 2016 in letzter Minute für seine Wahlheimat in die Waagschale zu werfen.

Ein doppelt riskantes Unterfangen. Denn von republikanischer Seite musste sich der Präsident sogleich den Vorwurf gefallen lassen, für die Sportpolitik ein offenes Ohr zu haben, nicht jedoch für Stanley McChrystal. Mit dem obersten US-Militär in Afghanistan, den Obama selbst erst vor wenigen Monaten eingesetzt hat, hat er seither nach dessen Angaben erst ein einziges Direktgespräch geführt.

Am Mittwoch war McChrystal dann freilich per Videokonferenz zu einer Strategiesitzung des innersten Zirkels im Weißen Haus zugeschaltet, das in einem abhörsicheren Kabinett in Keller stattfand. Eine schonungslose Analyse des Topkommandanten in Afghanistan, in dem er die Aufstockung um 40.000 US-Soldaten urgierte, war unlängst der „Washington Post“ zugespielt worden und hatte eine schwelende Debatte über den Afghanistan-Einsatz angefacht.

Kriegsmüdigkeit

Acht Jahre nach Beginn des Kriegs am Hindukusch macht sich in den USA Kriegsmüdigkeit breit. Bei den Demokraten und den Obama-Wählern wächst die Skepsis über Sinn und Nutzen eines ursprünglich als „gut und gerecht“ klassifizierten Kriegs, in dem die Alliierten keinen Boden gutmachen und in dem der Blutzoll steigt. Angesichts der Vorwürfe von Wahlmanipulationen ist in Washington das Vertrauen gegenüber dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai noch weiter geschwunden.

Der Vergleich mit dem Desaster des Vietnam-Kriegs macht wieder die Runde, seit die Generäle auch eine Erhöhung des Kontingents forderten. Afghanistan, so die Sorge, drohe zunehmend zu „Obamas Krieg“ zu werden; zu einem Morast für das US-Militär. Erst vor einem halben Jahr hatte Obama der Entsendung von 20.000 Soldaten zugestimmt und die Politik gegenüber Afghanistan und Pakistan als oberste Priorität eingestuft.

Die Prioritäten haben sich verlagert. Vizepräsident Joe Biden plädiert für eine Konzentration des Kampfs gegen die al-Qaida in Pakistan mittels Drohnen und Spezialeinheiten. Eingekeilt zwischen Befürwortern und Gegnern einer Truppenverstärkung, die das Pentagon in der Manier der erfolgreichen Irak-Strategie forciert, ist Obama zusehends auf die Unterstützung der Republikaner angewiesen. Viel Zeit für die Revision seiner Strategie bleibt ihm nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2009)

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