USA: Die Rückkehr des Wahlkampf-Trump

U.S. President-elect Donald Trump boards his aircraft with his wife Melania and son Barron in West Palm Beach
U.S. President-elect Donald Trump boards his aircraft with his wife Melania and son Barron in West Palm Beach(c) REUTERS (JOE SKIPPER)
  • Drucken

Angesichts der geplanten Neuauszählung in einigen US-Bundesstaaten sieht sich der designierte Präsident plötzlich selbst als Opfer eines millionenfachen Wahlbetrugs.

Auf einmal war er wieder da, der Wahlkampf-Trump, mit den Verschwörungstheorien und seinem Mantra, die US–Präsidentenwahl werde manipuliert und gestohlen. Ein paar Kurznachrichten auf Twitter, Donald Trumps bevorzugtem Kommunikationskanal, reichten aus, um bei seinen Kritikern am Montag Zweifel zu säen, dass der Wahlsieger und designierte Präsident Trump sich staatsmännischer verhalten würde als das Enfant terrible im Zentrum der republikanischen Wahlkampagne.

Womöglich im Zorn über geplante Neuauszählungen und die Tatsache, dass seine unterlegene Rivalin Hillary Clinton insgesamt mehr abgegebene Stimmen erhalten hatte als er, wetterte er in einer Kurznachricht: „Zusätzlich zur Mehrheit der Wahlmänner hätte ich auch die Mehrheit der Stimmen erhalten, wenn man die Millionen Menschen abzieht, die illegal gewählt haben.“ Nur wenige Stunden später setzte er nach – mit weiteren Wahlbetrugsvorwürfen und einer Breitseite gegen die ihm verhassten Journalisten: „Ernsthafter Wahlbetrug in Virginia, New Hampshire und Kalifornien. Warum berichten die Medien nicht darüber? Schwerwiegende Voreingenommenheit – großes Problem.“

Allerdings: Beweise für seine Behauptungen blieb Trump schuldig. Es gebe keine objektiven Hinweise auf einen umfassenden Wahlbetrug, sagte der Sprecher des scheidenden Präsidenten Barack Obama, Josh Earnest, am Montag. Unabhängige Wahlexperten beeilten sich über diverse US-Medien ebenso, die Vorwürfe zurückzuweisen. „Wir haben keinerlei Grund zu glauben, dass das wahr ist“, zitierte die renommierte Zeitung „Politico“ Rick Hasen, einen Wahlexperten von der University of California. Und David Becker, Direktor des Center for Election Innovation & Research, sagte: „Die Wahrscheinlichkeit ist höher, von einem Hai gefressen zu werden, der gleichzeitig von einem Blitz getroffen wird, als einen wählenden Nichtbürger zu finden.“

Der Sieger hinterfragt den Sieg

Laut „Washington Post“ wurden die Behauptungen Trumps über angebliche Millionen „illegale“ Wähler zuerst auf Internetseiten wie Infowars.com verbreitet, die für teils krude Verschwörungstheorien bekannt ist. Trump hatte schon im Wahlkampf immer wieder Wahlbetrug impliziert und gegen das „betrügerische“ und „korrupte“ System gewettert. Zu diesem Zeitpunkt allerdings prognostizierten die meisten Umfragen noch einen Sieg der Demokratin Hillary Clinton. „Trump ist der erste Wahlsieger, der die Legitimität eines Prozesses infrage stellt, welcher ihn ins Weiße Haus gebracht hat“, kommentierte erstaunt Timothy Naftali, Historiker an der New York University, den Vorgang.

Die Twitter-Tiraden des zukünftigen US-Präsidenten verstärken die ohnehin bestehenden Unsicherheiten über die drei Wochen zurückliegende Wahl. Die Grünen-Politikerin Jill Stein hatte am Wochenende offiziell eine Neuauszählung der Stimmen im US-Bundesstaat Wisconsin beantragt und will das auch für Pennsylvania und Michigan durchsetzen – alle drei Staaten, in denen Trump knapp gewonnen hatte. Clintons Wahlkampfteam will sich an der Neuauszählung beteiligen, machte aber klar, dass es keine Hinweise habe, dass Wahlmaschinen manipuliert worden seien.

Trump hatte die Neuauszählung noch am Sonntag als „lächerlich“ und „Schwindel“ bezeichnet – und in einem Tweet demonstrativ Rivalin Clinton nach der Niederlage mit dem Satz zitiert: „Wir müssen das Ergebnis akzeptieren und in die Zukunft blicken. Donald Trump wird unser Präsident sein.“

Die Tweets stehen auch im starken Kontrast zu einem betont versöhnlichen Trump, der das amerikanische Volk zum Thanksgiving-Feiertag in der vergangenen Woche in einer Videobotschaft zur Einheit aufgerufen hatte: „Ich bete, dass wir an diesem Thanksgiving-Tag beginnen, unsere Gräben zu schließen und als eine Nation nach vorn zu blicken, gestärkt durch einen gemeinsamen Willen und gemeinsame Entschlossenheit.“

US-Medien und politische Beobachter rätselten also darüber, was den designierten Präsidenten dazu bringt, die Wahl nun seinerseits infrage zu stellen. Gleichzeitig ließ ein öffentlich ausgetragener Konflikt um die Besetzung des Außenministeriums auf schwere Zerwürfnisse innerhalb des Trump-Lagers schließen. Kellyanne Conway, eine enge Beraterin, schoss in mehreren TV-Sendungen scharf gegen den Kandidaten Mitt Romney. Dieser habe im Wahlkampf „getan, was er konnte, um Donald Trump zu schaden“. Alle seien für Einheit in der Partei, „aber ich denke nicht, dass wir dafür mit dem Posten des Außenministers bezahlen müssen“.

Trump für neuen Kuba-Deal

Die Aufregung um Trumps jüngste Tweets zur Wahl hatte sich noch nicht gelegt, als der zukünftige Präsident mit einer weiteren Kurznachricht für Aufsehen sorgte, diesmal zu den gerade erst normalisierten Beziehungen zu Kuba: Wenn Havanna einem besseren Deal für das kubanische Volk, für die Exilkubaner in den USA und die Vereinigten Staaten nicht zustimme, „werde ich den Deal beenden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Rex Tillerson soll US-Außenminister werden.
Außenpolitik

"Großer Diplomat": Trump verteidigt Nominierung von Tillerson

Der künftige US-Präsident verteidigt ExxonMobil-Chef Rex Tillerson, den er als Außenminister nominiert hat. Dieser sei "einer der besten Unternehmensführer unserer Zeit".
Der 64-jährige Tillerson arbeitet seit Jahrzehnten für den Ölkonzern, er hat keine Erfahrung in der Politik.
Außenpolitik

Ölmanager soll die US-Außenpolitik leiten

Trump hat – wie erwartet – den Chef des Ölkonzerns ExxonMobil, Rex Tillerson, zum Außenminister erkoren. Doch Widerstand dagegen gibt es auch bei den Republikanern.
Tillerson
Außenpolitik

Ein Kreml-Freund als US-Außenminister

Der designierte US-Präsident nominierte ExxonMobil-Chef Rex Tillerson zu seinem künftigen Chefdiplomaten. Das könnte Probleme im Kongress geben.
Ex-HP-Chefin Carly Fiorina gab Donald Trump im Wahlkampf erfolgreich Kontra - und wurde dafür beleidigt.
Österreich

Nach Beleidigungen umwirbt Trump Ex-HP-Chefin Fiorina

Trump könnte die frühere HP-Chefin Carly Fiorina zur Geheimdienst-Direktorin machen. Dies würde fast einer 180-Grad-Wende entsprechen.
Donald Trump und James Mattis
Außenpolitik

"Mad Dog": Ex-General Mattis wird US-Verteidigungsminister

Der pensionierte Vier-Sterne-General hat eine 44-jährige Militärkarriere hinter sich, fiel aber bereits mit wenig diplomatischen Sprüchen auf.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.