"Hofer kann bei Kosovo nichts ändern"

Branko Ružić ist Außenpolitiker der mitregierenden Sozialisten in Serbien.
Branko Ružić ist Außenpolitiker der mitregierenden Sozialisten in Serbien.(c) Privat
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Serbiens Ex-Europaminister Branko Ružić, freut sich, dass Norbert Hofer Kosovos Unabhängigkeit ablehnt. Doch an eine Rücknahme der Anerkennung durch Österreich glaubt er nicht.

Die Presse: In Ihrer Zeit als Europaminister begannen die Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der EU. Wie sehen Sie heute den Stand der Gespräche?

Branko Ružić: Es geht gut voran. Wir befinden uns natürlich in einer speziellen Situation. Denn der Prozess ist auch von der Kooperation zwischen Belgrad und Prishtina abhängig. Dazu kommt, dass wir gute Beziehungen zu Russland und China haben und gleichzeitig mit der Außenpolitik der EU übereinstimmen müssen.

Ist Serbien hier nicht zwischen Russland und der EU hin- und hergerissen?

Wir können nicht Sanktionen gegen Russland verhängen. Russland und China haben uns im UN-Sicherheitsrat immer unterstützt und sich gegen die Eigenstaatlichkeit des Kosovo gewandt. 74 Prozent unseres Handels verläuft aber mit der EU, und unsere Hauptstrategie ist die EU-Mitgliedschaft.

Wie kann Serbien damit umgehen?

Wir brauchen dabei politische Weisheit. Es wird aber einen Moment geben – und zwar noch bevor wir der EU beitreten –, in dem die EU-Staaten und Russland eine Exitstrategie suchen werden. Man muss ja nur an die Abhängigkeit der deutschen Industrie von den Gaslieferungen aus Russland denken. Und es gibt auch politische Parteien in EU-Mitgliedstaaten, die gegen die Sanktionen gegen Russland sind.

Angesichts des Brexit und der internen Probleme in der EU: Wie attraktiv ist ein Beitritt zur Union für Serbien überhaupt noch?

Alle Umfragen zeigen, dass in Serbien die Zustimmung zu einem EU-Beitritt nach wie vor sehr hoch ist. Ich denke, dass nach all den internen Problemen die EU in Zukunft wie die Uefa ausschauen wird: Es gibt die Champions League und die Europa League. In der Champions League werden Deutschland und einige andere Länder sein, und in der Europa League Staaten wie Bulgarien, Rumänien oder Kroatien.

Spätestens bei einem Beitritt zur EU wird Serbien das Problem mit dem Kosovo lösen müssen. Denn dann stellen sich auch praktische Probleme wie: Mit welchem Staatsgebiet wird Serbien beitreten – inklusive des Territoriums des Kosovo oder nicht?

Wenn EU-Mitglieder wie die Slowakei oder Spanien die Unabhängigkeit des Kosovo nicht akzeptieren, müssen wir das auch nicht tun, wenn wir beitreten. Serbien wird zu dem Zeitpunkt mit Exklusion des Territoriums des Kosovo Vollmitglied der EU werden. Aber das wird nicht in fünf Jahren geschehen, eher in sechs, sieben oder acht Jahren. Wir haben genug Zeit, bis dahin zu einer funktionierenden Lösung für das Problem zu kommen. Wir, die Politiker in Serbien und im Kosovo, brauchen einen pragmatischen Zugang und dürfen nicht in Mythen denken.

Der österreichische Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer hat sich gegen die Unabhängigkeit des Kosovo ausgesprochen. Er war mehrmals in Belgrad, wo er auch den serbischen Präsidenten, Tomislav Nikolić, getroffen hat. Und er hat gesagt, dass er enge Beziehungen zu Serbien will, wenn er Präsident wird.

Ich begrüße natürlich dieses Statement des Präsidentschaftskandidaten Hofer zum Kosovo. Es ist für die Serben wie eine heilende Therapie. Aber wenn man die möglichen Motive dahinter betrachtet, dann denke ich: Auch wenn Herr Hofer die Wahl am 4. Dezember gewinnt, er ist nicht in der Position, irgendetwas an der Anerkennung des Kosovo durch Österreich zu ändern. Herr Hofer weiß natürlich, wie groß das Reservoir an Wählern mit serbischem Migrationshintergrund ist. Das könnte eines seiner Motive sein – vor allem, wenn man bedenkt, wie knapp zuletzt der Abstand zwischen ihm und Van der Bellen war. Ich bin sicher, dass die Beziehungen zwischen Serbien und Österreich weiterhin sehr gut sein werden, egal, wer in Österreich die Präsidentenwahl gewinnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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