Der bisherige Premier, Manuel Valls, gibt sein Amt ab und will nach François Hollande Präsident werden. Der gebürtige Katalane wird es nicht leicht haben.
Paris. Als das Büro des französischen Regierungschefs, Manuel Valls, am Montag in der Früh eine Pressekonferenz für den Abend ansetzte, zweifelte niemand im Land mehr daran, dass er seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2017 bekannt geben werde. Klar war auch: Nach der Ankündigung seiner Kandidatur muss Valls als Premier zurücktreten, so lautet eine ungeschriebene Regel. Und so kam es dann auch.
Der 54-jährige Sozialist verkündete in der Pariser Vorstadt Evry seine Präsidentschaftskandidatur. Er will das Amt des Regierungschef ab Dienstag ablegen. Schon tagsüber war über mögliche Nachfolger als Premier spekuliert worden. "Man sagt uns, dass die Linke keine Chance hat, aber nichts ist vorgeschrieben", sagte Valls. "Ich will, dass wir die Linke zum Sieg tragen", sagte Valls in einer rund 20-minütigen Rede vor Anhängern.
Nur gerade eine viertägige Anstandsfrist hat Manuel Valls seit François Hollandes Verzichtserklärung eingehalten. Der sozialistische Amtsinhaber fühlt sich aufgrund seiner Bilanz und der großen Abneigung seiner Landsleute außerstande, von einer Wiederwahl zu träumen. Gerüchten zufolge hat Valls vor einer Woche bei einem Arbeitsessen Hollande dazu gedrängt, mit seiner offiziellen Erklärung den Weg (endlich) für ihn freizugeben. Der Premier hat seit Langem kein Geheimnis daraus gemacht, dass er sich berufen fühlt, als nächster Präsident Frankreichs Staatsführung zu übernehmen. Er will für sich die Rolle, in der Hollande so wenig Beifall bekommen hat, und ist überzeugt, es besser zu können.
In der Favoritenrolle
Solange Hollande aber seine Absichten für sich behielt, konnte der vor Ungeduld zappelnde Valls nicht an den Start gehen. Als Innenminister von 2012 bis 2014 und danach als Regierungschef war er an seinen Treueschwur gebunden. Jetzt möchte dieser Monsieur Loyal seinen Lohn: Hollandes Segen und die Unterstützung seiner Partei.
Er tritt darum bei den Vorwahlen an, bei denen die französischen Sozialisten und ihre Sympathisanten Ende Jänner ihren Präsidentschaftskandidaten nominieren sollen. Valls ist vorerst nur einer von mindestens sieben Anwärtern – aber er ist Favorit. Laut einer am Sonntag publizierten Umfrage liegt er mit 45 Prozent der Stimmen in diesem internen Wettbewerb klar vor den beiden Linkssozialisten Arnaud Montebourg (25 Prozent) und Benoît Hamon (14 Prozent).
Ganz anders würde die Ausgangslage dann allerdings in der ersten Runde der Volkswahl am 23. April aussehen. Bei der heutigen Stimmungslage würde Valls lediglich neun bis elf (!) Prozent einfahren, deutlich hinter Jean-Luc Mélenchon und Emmanuel Macron, die sich ohne Umweg über Vorwahlen direkt zur Wahl stellen. Da sich zudem noch weitere linke Konkurrenten direkt bewerben, stehen die Chancen für Valls schlecht. Dennoch ist er überzeugt, dass er trotz des Handicaps seiner Regierungsbilanz den Rückstand gegenüber seinen linken Rivalen und auch den Gegnern von rechts, dem Konservativen François Fillon und der Rechtspopulistin Marine Le Pen, wettmachen kann.
Der rechte Sozialist
Valls hatte schon 2011 bei den Vorwahlen der Sozialisten mitgemacht, er bekam aber bloß 5,63 Prozent der Stimmen und wurde Fünfter. Seine Redegewandtheit hatte dennoch so beeindruckt, dass ihn der Gewinner Hollande zu seinem Kampagnensprecher ernannte.
Valls gehörte immer zum rechten Flügel seiner Partei, er hat als Premierminister Hollandes liberale Reformen nicht aus Gehorsam, sondern aus Überzeugung umgesetzt. Damit hat er sich auch der scharfen Kritik von links ausgesetzt.
Als Innenminister forderte er nach 2012 eine autoritäre Sicherheitspolitik. Nicht von ungefähr hatte man ihn damals als „linken Sarkozy“ karikiert. Wie man der Kriminalität und auch Problemen der sozialen Ausgrenzung begegnen soll, hat Valls während der elf Jahre als Bürgermeister von Evry vorgemacht. Diese Erfahrung in der Banlieue im Süden von Paris möchte Valls in seiner Kampagne als Leistungsausweis einbringen.
Im Unterschied zu anderen Spitzenpolitikern hat er „nur“ einen Uni-Abschluss in Geschichte, aber kein Diplom der Pariser Eliteschulen. Valls ist 1962 in Barcelona als Sohn eines katalanischen Malers und einer Tessinerin auf die Welt gekommen. Er wurde 1982 in Frankreich eingebürgert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2016)