Uganda-Prozess: Vom verschleppten Kind zum grausamen Mörder

Dominic Onwen wurde von der LRA als Kind selbst verschleppt - für seine Taten steht er in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof.
Dominic Onwen wurde von der LRA als Kind selbst verschleppt - für seine Taten steht er in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof.(c) APA/AFP/ANP/PETER DEJONG (PETER DEJONG)
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Als Stellvertreter des ugandischen Rebellen-Chef Stephen Kony war Dominic Ongwen verantwortlich für bestialische Morde - und war als Kind selbst Opfer. Er steht in Den Haag vor Gericht.

Die Geschichte von Dominic Ongwen ist die eines Opfers schrecklicher Gewalt. Und die eines Täters, der unvorstellbare Grausamkeiten verübte. Ongwen war zehn Jahre alt, als Bewaffnete ihn auf dem Weg zur Schule verschleppten und ihn zwangen, für die ugandischen LRA-Rebellen als Kindersoldat zu kämpfen. Seit Dienstag steht er als stellvertretender Anführer der "Widerstandsarmee des Herrn" (LRA) vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

70 Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden ihm zur Last gelegt - so viele wie noch keinem anderen Angeklagten des Tribunals. Vergewaltigung und die Entführung von Kindern zählen dazu, die als Kindersoldaten oder Sexsklavinnen missbraucht wurden. Und die bestialische Verstümmelung und Ermordung von Zivilisten.

Grausamkeiten unvorstellbaren Ausmaßes

Seit der selbst ernannte Prophet Joseph Kony die christlich-fundamentalistische LRA 1987 im Kampf gegen die ugandische Führung gründete, töteten die Rebellen nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 100.000 Menschen und entführten etwa 60.000 Kinder. Eines davon war Ongwen, Sohn eines Lehrerehepaars aus dem nördlichen Bezirk Gulu. Schon als Kindersoldat soll er durch seine Loyalität gegenüber Kony, seine Unerschrockenheit und sein strategisches Geschick aufgefallen sein. Schnell stieg er in den Rängen der LRA auf und leitete schließlich eine ihrer vier Brigaden.

Kindersoldaten berichten von sadistischen Initiationsriten, die Ongwen vermutlich selbst durchlitt, bevor er andere damit quälte. Kinder mussten ihre Eltern, Geschwister und Freunde zu Tode prügeln und ihr Blut trinken. Das Kriegsverbrechertribunal beschuldigt Ongwen auch der Zwangsverheiratung und der erzwungenen Schwangerschaft - zwei Anklagepunkte, die der Strafgerichtshof zuvor noch nie erhoben hat. Während die Jungen zum Kampf gezwungen wurden, mussten Mädchen als Sexsklavinnen dienen. Ongwen soll mindestens sieben Frauen haben, von denen die jüngste bei der ersten Vergewaltigung zehn Jahre alt war.

Das Gericht macht den 41-Jährigen auch für die Tötung von Zivilisten zwischen 2002 und 2005 in vier Lagern im Norden Ugandas verantwortlich. Augenzeugen berichten von Gewaltorgien, bei denen Menschen Lippen und Ohren abgeschnitten worden seien. Ongwen habe seinen Soldaten befohlen, ihre Opfer zu kochen und zu essen, schilderte ein Zeuge.

Hohe Belohnung führte zu Erfolg

Fast zehn Jahre lang fahndete der Strafgerichtshof nach Ongwen, Washington setzte fünf Millionen Dollar (4,4 Millionen Euro) Belohnung für seine Festnahme aus. Im Januar vergangenen Jahres stellte er sich schließlich einer US-Spezialeinheit in der Zentralafrikanischen Republik. Ongwen hatte sich offensichtlich mit LRA-Chef Kony überworfen, nachdem dieser einen anderen Kommandeur hingerichtet hatte.

Die Anklage in Den Haag stützt sich in diesem ersten Prozess gegen ein Mitglied der LRA auf 74 Zeugen und 5800 Beweisstücke wie Funkmitschnitte, Fotos und Videos. Die Verteidigung will argumentieren, dass die eigene Traumatisierung als Kindersoldat Ongwen zum Mörder machte. "Die LRA hat das getan, die LRA bin nicht ich, die LRA ist Joseph Kony", sagte der Angeklagte. "Im Namen Gottes weise ich alle Anklagepunkte zurück." Er sei selbst ein Opfer der Miliz.

Das wird die zentrale Frage des Prozesses sein: Ist jemand für Verbrechen verantwortlich, die er nie begangen hätte, wenn er nicht selbst Opfer gewesen wäre? Ongwen selbst verneint. Zu Beginn des Prozesses plädierte er auf nicht schuldig: "Im Namen Gottes" wies er am Dienstag in Den Haag alle Anschuldigungen zurück. Und er hob hervor: "Ich bin nicht die LRA. Die LRA ist Joseph Kony."

Es ist der erste Prozess des Weltstrafgerichts zum Terror der "Lord's Resistance Army". Noch zu Beginn des Prozesses hatte die Verteidigung versucht, das Verfahren zu verhindern. Ongwen sei psychisch krank und nicht in der Lage, die Anklage zu verstehen, hatten die Verteidiger erklärt. Der Vorsitzende Richter, der Deutsche Bertram Schmitt, wies dies deutlich irritiert als "Verzögerungstaktik" zurück.

(APA/dpa/AFP)

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