François Hollandes letztes Aufgebot

Der bisherige Innenminister Cazeneuve (l.) gilt als einer der populärsten Politiker der Regierung Hollande (r.).
Der bisherige Innenminister Cazeneuve (l.) gilt als einer der populärsten Politiker der Regierung Hollande (r.). (c) APA/AFP/BERTRAND GUAY
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Mit seinem Vertrauten Cazeneuve als Premier geht der Präsident auf Nummer sicher. Für Manuel Valls beginnt ein schonungsloser Wahlkampf innerhalb der Partei.

Paris. Die Mechanismen der französischen Republik funktionieren wie geschmiert. Kurz vor 8.30 Uhr traf der Frühaufsteher Manuel Valls am Dienstag im Elysée-Palast ein, um bei Präsident François Hollande seinen am Montag angekündigten Rücktritt einzureichen. Kaum war die Unterredung zu Ende, da wussten die Medien bereits, wer Valls als Premierminister nachfolgen würde. Hollande geht auf Nummer sicher, indem er einem seiner populärsten Regierungsmitglieder das Amt des Regierungschef für die verbleibenden fünf Monat anvertraut: dem bisherigen Innenminister Bernard Cazeneuve. Er ist ein Vertrauter des Präsidenten, galt neben Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian als Wahl ohne Risiko bei dieser Umbildung, die notwendig geworden war, weil sich Valls voll und ganz seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Frühling widmen will.

Bereits am Nachmittag war danach am Regierungssitz Matignon die Amtsübergabe zwischen den beiden Kollegen vorgesehen. Neuer Innenminister – und damit Verantwortlicher für den Kampf gegen den Terrorismus – wird der sozialistische Fraktionschef in der Nationalversammlung, Bruno Le Roux. Kleinere Änderungen im Ministerkabinett betreffen die Staatssekretäre für Frankofonie und Entwicklungshilfe sowie den Posten der Beziehungen mit dem Parlament. Beide Ämter gingen ebenfalls an Getreue des Staatschefs, Jean-Marie Le Guen und André Vallini.

Möglichst lautlos zu Ende regieren

Allen ist klar, dass es sich um eine Interimsregierung handelt, deren Hauptaufgabe darin besteht, nun bis zum Ende der Präsidentschaft möglichst keine Wellen zu schlagen. Da zudem die Parlamentskammern vor der Wahl im nächsten Jahr frühzeitig Urlaub bekommen, können keine größeren Gesetzestexte oder Reformen mehr ins Auge gefasst werden. Auch in dieser Hinsicht möchte Hollande offenbar dem für seine Nachfolge kandidierenden Valls in keiner Weise in die Quere kommen. Valls hat das Seilziehen zwischen Präsident und Premier um die Kandidatur zu seinen Gunsten entschieden. Hollande wird sich in der Folge darauf beschränken, seine Rolle als bloßer Repräsentant nach außen zu erfüllen – oder, wie man in Frankreich dazu sagt, Chrysanthemen einzuweihen.

Feinde und Konkurrenten hat Valls ja so schon genug. Kaum hatte er seine Kandidatur bei den sozialistischen Vorwahlen im Jänner angekündigt, wurden in den sozialen Netzwerken schon Giftpfeile auf ihn geschossen. Auf Twitter existiert bereits der Hashtag #TSV für „Tout sauf Valls“ (Alles, bloß nicht Valls), was an analoge Slogans gegen Nicolas Sarkozy erinnert. Mit Sarkozy wird Valls, der zum rechten Flügel der Partei gehört, immer wieder von seinen linken Gegnern verglichen.

Twitter-Beschimpfungen von links

Nicht gerade zimperlich tönt es auch in den Kurzkommentaren: Valls wird als „Brutus“, „Verräter“ oder gar „Judas“ beschimpft, weil er skrupellos Hollande zum Verzicht gezwungen habe. Die Mehrzahl dieser Schmähungen kommt nicht von rechts. Mehrere sozialistische Prominente wie Ex-Ministerin Martine Aubry haben erklärt, wie schwer es ihnen fallen würde, Valls zu unterstützen.

Valls, der die zerstrittene Linke hinter seiner Kandidatur einen möchte, löst im Gegenteil Ablehnung und Widerspruch aus. Diese Reaktionen sind bezeichnend für das Klima und den Zustand der politischen Linken, die heute wegen tiefer Meinungsdifferenzen und namentlich wegen der Bilanz von Valls und Hollande unversöhnlich gespalten ist. Valls kann nicht hoffen, dass seine parteiinternen Rivalen vom linken Flügel in diesem harten Kampf um die offizielle Kandidatur der Sozialisten klein beigeben. Erst recht kein Entgegenkommen ist vonseiten der anderen linken Konkurrenten zu erwarten, die sich direkt der Wahl stellen: Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei, der mit Unterstützung der Kommunisten für die Bewegung „La France insoumise“ (das ungehorsame Frankreich) kandidiert, und der grüne Yannick Jadot haben nicht die geringste Absicht, auf ihre Alleingänge zu verzichten.

In den nächsten Wochen wird aber vor allem hart um den Platz in der Mitte gekämpft. Mit der Nominierung des sehr konservativen Kandidaten François Fillon hat die bürgerliche Opposition den Schwerpunkt nach rechts verschoben. Im Kampf um das verwaiste Zentrum steht Valls in direkter Konkurrenz mit seinem vormaligen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Beide machen Vorschläge für wirtschaftsliberale Reformen, beide haben bestimmte Errungenschaften wie die 35-Stunden-Woche explizit als „Mittel aus dem vorigen Jahrhundert“ kritisiert und versprochen, die Unternehmen zu fördern. Beide gleichen sich auch in ihrem Ehrgeiz und Stil.

Der parteilose Macron, der „weder links noch rechts“ stehen will, hat allerdings den Vorteil, dass er weniger als der Ex-Premier für die Regierungsbilanz der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht wird. Nach seinem Rücktritt hat Valls ein paar Monate Zeit, um mit neuen Vorschlägen wieder glaubwürdig zu erscheinen und den Eindruck zu widerlegen, dass mit Hollande die ganze Linke in Frankreich Schiffbruch erleidet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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