Türkei: Erdoğans Schwiegersohn und das Öl

Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit Wladimir Putin.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit Wladimir Putin.(c) REUTERS (OSMAN ORSAL)
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WikiLeaks-Enthüllungen bringen die Regierungspartei AKP in Verbindung mit dubiosen Ölgeschäften. Demnach war der Energieminister in den Handel involviert – bisher bestritt er das.

Wien/Ankara. Mit der Firma Powertrans habe er, Berat Albayrak, keinerlei Verbindungen. Das ließ der türkische Energieminister und Schwiegersohn des Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, im vergangenen Jahr die Öffentlichkeit wissen, und zwar per Anwaltserklärung. Viel zu viele Geschichten waren bis zu dem Zeitpunkt schon im Umlauf, die Albayrak als Hauptakteur dubioser Ölgeschäfte rund um Powertrans vermuteten – selbst mit den Terrorschergen des sogenannten Islamischen Staates (IS).

Die Geschichten blieben allerdings nur lauwarm, mehr als einzelne Indizien und Gerüchte kamen nicht auf. Aber die neuesten WikiLeaks-Enthüllungen dürften ungemütlich für den Energieminister werden. Über 50.000 E-Mails an Albayrak hat die per Selbstdefinition marxistisch-leninistisch orientierte türkische Hackergruppe RedHack gekapert und an die Enthüllungsplattform weitergeleitet. Dabei sind viele Mails harmlos, es geht um Witze, Wohnungssuche und Zeitungsartikel. Eines könnte ihm familiäre Zores bringen: Offenbar hat Albayrak eine Kampagne unterschrieben, die seinen Schwiegervater Erdoğan als Kriegsverbrecher vor Gericht bringen will.

Brisant sind aber vor allem jene rund 30 Nachrichten, die Albayraks Rolle innerhalb von Powertrans bekräftigen – und damit das nahe Umfeld Erdoğans mit Ölgeschäften in Verbindung bringen.

Powertrans ist die einzige Firma in der Türkei, die Öl importieren und exportieren darf. Das hat die Erdoğan-Regierung 2011 beschlossen, als Powertrans aus der Taufe gehoben wurde. Die Besitzverhältnisse sind kaum auszumachen, die Spuren verlieren sich in Singapur und den Britischen Jungferninseln. Früheren Enthüllungen zufolge hat Calık Holding ebenfalls einen Anteil an der Ölfirma.

Albayrak war jahrelang Geschäftsführer des Firmenkonglomerats Çalık. In den veröffentlichten E-Mails kommuniziert Albayrak etwa mit dem Personalvertreter von Çalık über die Besetzung von Positionen bei Powertrans. Es geht auch um Gehälter. Albayrak muss die Vorschläge absegnen, er ist in organisatorische Fragen der Ölfirma involviert. Ein Mailwechsel mit seinem Anwalt dreht sich darum, wie jene eingangs erwähnte Erklärung aussehen soll, in der Albayrak die Verbindungen zu Powertrans negiert. Der Anwalt schreibt zuerst „nicht mehr involviert“, aber Albayrak antwortet: gar nicht involviert.

Unterstützung von Wonder?

Ursprünglich war Powertrans in der irakischen Kurdenregion geschäftlich engagiert. Als jedoch der IS im Zuge seiner Eroberungsfeldzüge mehrere Ölfelder unter seine Kontrolle bringen konnte, habe sich Powertrans der Situation angepasst, sich auf Deals mit dem IS eingelassen und Öl äußerst billig eingekauft, heißt es unter anderem auf WikiLeaks.

Satellitenbilder, die die Schmuggelroute zwischen IS-Land und der Türkei darlegen sollen, hat jüngst Russland veröffentlicht, als die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara am Tiefpunkt waren. Aber ob und wie die Türkei tatsächlich Geschäfte mit Terroristen gemacht hat – dafür fehlt bisher der ausschlaggebende Beweis.

An anderer Stelle lässt sich aus den gehackten E-Mails herauslesen, wie sich die regierende AKP Einfluss in den sozialen Medien verschaffen will: Eigens engagierte Trolle sollen AKP-freundliche Nachrichten im Netz verbreiten. Die Hacker weisen darauf hin, dass es kaum mehr unabhängige Medien in der Türkei gebe, oftmals werden regierungskritische Nachrichten lediglich über soziale Medien verbreitet. Auch das wolle die Regierungspartei unterbinden.

Weiteres Detail am Rande: Der in Wien ansässige türkische Studentenverein Wonder hat durchaus Verbindungen zur AKP, wie immer wieder kolportiert wird. In einem E-Mail an Albayrak aus dem Jahr 2011 heißt es: Der Verein brauche dringend 250.000 Euro für offene Rechnungen, das Gebäude betreffend. Ob das Geld überwiesen wurde, ist nicht herauszulesen.

Neue Verfassung für Erdoğan

Zu den E-Mails haben sich weder Albayrak noch Erdoğan geäußert. Stattdessen gab die AKP-Spitze bekannt, wie die von Erdoğan gewünschte Präsidialrepublik aussehen soll. Wie im derzeitigen Ausnahmezustand auch, soll der Präsident künftig per Dekret regieren können. Die Verfassungsänderung soll noch diese Woche im Parlament eingebracht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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