Deutschland: Merkel, nach rechts gedrängt

Angela Merkel überzeugte den CDU-Parteitag am Dienstag mit ihren Zukunftsplänen für das Land und die Partei. Am Ende wurde sie als Parteivorsitzende wiedergewählt.
Angela Merkel überzeugte den CDU-Parteitag am Dienstag mit ihren Zukunftsplänen für das Land und die Partei. Am Ende wurde sie als Parteivorsitzende wiedergewählt. (c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Vor dem Parteitag der CDU hat die Basis Bedingungen für die Wiederwahl Angela Merkels gestellt. Eine davon sind Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik.

Essen. In Essen hat einst alles begonnen. Die CDU, von einer Spendenaffäre erschüttert, wählte Angela Merkel im April 2000 zu ihrer neuen Vorsitzenden. Man dachte an eine Übergangslösung. Es wurde eine Ära.

Diese Woche kehrte Merkel nach Essen zurück. Doch die Voraussetzungen beim 29. Parteitag der CDU, der am Mittwoch zu Ende geht, waren dieses Mal andere. Nach fast 17 Jahren an der Parteispitze und elf Jahren im Kanzleramt hat sich Merkel von ihrer Partei entfernt. Und umgekehrt. Das vergangene Jahr – Stichwort Flüchtlingspolitik – hat beiden Seiten zugesetzt.

Am Dienstag hat man sich wieder ein Stück angenähert. Mit 89,5 Prozent wurde Merkel als Parteivorsitzende wiedergewählt. Das war allenfalls ein kleiner Denkzettel. Für einen großen ist die CDU dann doch zu diszipliniert. Man will die Bundestagswahl im September nächsten Jahres erneut gewinnen (2013 waren es 41,5 Prozent). Und dafür braucht man die Kanzlerin.

Doch die Partei hat Forderungen gestellt: Merkel, so heißt es, müsse sich bewegen. Und ihre Politik in Zukunft stärker an den Begehrlichkeiten der Basis ausrichten. Teilweise ist das schon geschehen.

1 Flüchtlinge: Willkommen war gestern

In der Asylpolitik blinkt die CDU plötzlich rechts. Am Steuer saß hier aber nicht Merkel, sondern jener Teil der Partei, der findet, dass man der AfD zu viel Platz gelassen hatte. Als Beleg dienen die verlorenen Landtagswahlen. Im 21-seitigen Leitantrag der CDU-Spitze für den Parteitag (Titel: „Orientierung in schwierigen Zeiten“) findet sich deshalb eine Passage, die man auch als Schuldbekenntnis der Kanzlerin lesen könnte: „Die Ereignisse des vergangenen Jahres dürfen sich nicht wiederholen.

Gleichzeitig wird betont, dass die Zahl der Flüchtlinge durch zahlreiche Maßnahmen deutlich zurückgegangen ist. Dazu zählt neuerdings auch die Schließung der Balkanroute, die von Österreich miteingefädelt und von Merkel immer scharf kritisiert wurde. Entsprechend nüchtern ist diese Passage gehalten: „Die Balkanroute wurde von den Anrainerstaaten geschlossen.“

Daneben gibt es auch Forderungen, die mit einer Willkommenskultur nichts mehr zu tun haben: An der deutschen Grenze möchte die CDU Transitzonen einrichten. Sie verlangt konsequentere Abschiebungen, auch nach Afghanistan. Abschiebehaft soll künftig vier Wochen und nicht mehr nur vier Tage lang möglich sein. Ein Flüchtling, der falsche Angaben zu seiner Identität macht, also etwa seinen Pass vernichtet, hat nach Meinung der CDU sein Recht auf Arbeit verwirkt. Außerdem will man ihm die Sozialleistungen kürzen. Nur eine Obergrenze bleibt für Merkel weiterhin ein Tabu: Das wäre nach dem Streit mit der CSU politische Selbstaufgabe.

2 Koalition: Keine taktischen Steuerspielchen

Auch strategisch wurde Merkels Handlungsspielraum eingeschränkt. Der Wirtschaftsflügel hat mit einem Initiativantrag bei dem Parteitag gedroht, in dem gefordert wird, dass die CDU in der nächsten Periode Steuererhöhungen ausschließt.

Am Montag lenkte die Parteispitze ein: „Wir schließen Steuererhöhungen grundsätzlich aus, insbesondere auch eine Verschärfung der Erbschaftssteuer und eine Einführung der Vermögensteuer“, heißt es nun im Leitantrag. Ursprünglich wollte Merkel nur versprechen, dass die Steuerquote insgesamt nicht erhöht würde. So wäre eine Hintertür für Koalitionsverhandlungen mit der SPD oder den Grünen offen geblieben: zum Beispiel für einen höheren Spitzensteuersatz.

3 Personal: Das Ende der One-Woman-Show?

Darüber hinaus gibt es Kritik an Merkels Selbstinszenierung als Kanzlerin. Als Spitzenkandidatin ist sie zwar unumstritten: Allein ihre Ankündigung, nächstes Jahr noch einmal zu kandidieren, hat der Union einen Schub in den Umfragen versetzt (zuletzt kam sie wieder auf 37 Prozent).

Allerdings wird da und dort kritisiert, dass Merkel bei aller Eigen-PR vergessen habe, das Profil der Partei zu schärfen. Wie formulierte es Paul Ziemiak, der Chef der Jungen Union? „Wir stehen geschlossen hinter der Kanzlerin, aber die CDU ist keine One-Woman-Show.“
Manche sind auch der Meinung, dass es in der CDU deshalb keine personellen Alternativen gibt, weil die Kanzlerin die gesamte Bühne für sich beansprucht hat. Das mag schlecht für die Partei gewesen sein. Aber gut für Angela Merkel.

AUF EINEN BLICK

Angela Merkel wurde beim Parteitag in Essen als CDU-Vorsitzende wiedergewählt. 89,5 Prozent der Delegierten gaben der 62-Jährigen ihre Stimme. „Ich freue mich über das Ergebnis“, sagte Merkel. Allerdings handelt es sich um das zweitschlechteste in Merkels Geschichte als Parteichefin. Nur im Jahr 2004 hat sie mit 88,4 Prozent noch schlechter abgeschnitten. 2014 waren es noch 96 Prozent. Am Dienstag wurden auch Merkels fünf Stellvertreter gewählt: Julia Klöckner, Landesparteichefin in Rheinland-Pfalz; Volker Bouffier, Ministerpräsident von Hessen; Armin Laschet, Landesparteivorsitzender in Nordrhein-Westfalen; Thomas Strobl, Innenminister in Baden-Württemberg und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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