Lawrow: Russische Bedrohung ist ein Mythos

Lawrow mit dem deutschen Außenminister Steinmeier.
Lawrow mit dem deutschen Außenminister Steinmeier.APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttne
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Beim OSZE-Ministerrat zeigten sich tiefe Gräben zwischen dem russischen Außenminister und seinen Amtskollegen. Hauptstreitpunkt ist die Ukraine.

Kein Tauwetter im neuen "Kalten Krieg": Während westliche Außenminister beim OSZE-Ministerrat am Donnerstag in Hamburg die völkerrechtswidrigen Aktionen Moskaus im Ukraine-Konflikt kritisierten, zeigte sich der russische Chefdiplomat Sergej Lawrow unbeeindruckt. Die russische Bedrohung sei ein "Mythos", sagte er. "Wir müssen aufhören, uns gegenseitig Vorwürfe zu machen und Ultimaten zu stellen."

Lawrow sah sich bei der OSZE-Jahrestagung vor rund 50 Amtskollegen scharfen Vorwürfen ausgesetzt, unter anderem vom amtierenden Vorsitzenden der Organisation, dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Er sprach mit Blick auf Moskau von einem "Relativismus" in Bezug auf Grundprinzipien der OSZE, der gefährlich sei. Die "tragenden Säulen" der Sicherheitsarchitektur seien "brüchig geworden", beklagte Steinmeier, der vor diesem Hintergrund eine weitere Stärkung der Nordamerika, Europa und den Ex-Sowjetraum umfassenden Organisation forderte. "Wir brauchen eine starke OSZE mehr denn je für ein sicheres Europa", betonte er.

Frontal griff Steinmeier Russland in Bezug auf die Krim an. "Die Krim wurde völkerrechtswidrig annektiert. Bis heute erhalten die Einrichtungen der OSZE dort keinen Zugang", sagte der OSZE-Vorsitzende. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini betonte, dass die EU die Annexion der Krim nicht anerkennen werde. Kritisch äußerte sich auch die Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Christine Muttonen. "Wir dürfen nicht schweigen, wenn der Teil eines Staates durch einen anderen besetzt wird", sagte die SPÖ-Nationalratsabgeordnete in Anspielung auf Russland.

Moskau mache Ukraine zu "Testgelände"

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin machte klar, dass es eine Lösung mit Moskau erst geben könne, "wenn sich Russland nicht nur aus dem Donbass zurückzieht, sondern auch aus der Krim und der Stadt Sewastopol". Er warf dem Nachbarland vor, die Ukraine zum "Testgelände für moderne Methoden der irregulären Kriegsführung" gemacht zu haben. Der Konflikt habe 110.000 Todesopfer gefordert und 1,7 Millionen Ukrainer zu Binnenvertriebenen gemacht.

Lawrow wies die Vorwürfe als "martialische Rhetorik" und "Schuldzuweisungen" zurück. Er gab dem Westen die Schuld an der Verschlechterung der Sicherheitslage in Europa. Nach dem Kalten Krieg sei statt eines gemeinsamen Sicherheitssystems ein "geschlossenes NATO-zentriertes System" geschaffen worden, in dem mit zweierlei Maß gemessen und "Druck und Zwang" ausgeübt werde. Wenn man auf die Landkarte schaue, dann werde "der Mythos der russischen Bedrohung entzaubert".

US-Außenminister John Kerry äußerte sich in seiner Wortmeldung vergleichsweise zurückhaltend. Zwar kritisierte auch er die Annexion der Krim als völkerrechtswidrig, fokussierte aber auf eine Einhaltung der Vereinbarungen zur Ostukraine. Diesbezüglich sagte Lawrow, dass es eine Lösung nur in Verhandlungen zwischen Kiew und dem Donbass geben könne. Er lobte die Arbeit der OSZE-Militärbeobachter, ging aber nicht auf den Vorschlag einer bewaffneten Polizeimission ein. Dagegen bekräftigte Klimkin die Forderung nach einer solchen Mission.

Kurz will auf Russland zugehen

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der in Hamburg informell den OSZE-Vorsitz von Steinmeier übernimmt, übte in seiner Wortmeldung keine Kritik an den Parteien im Ukraine-Konflikt. Er sprach von einer "großen Chance", kommendes Jahr bei der Lösung des Ukraine-Konflikts voranzukommen. Österreich wolle das Vertrauen im OSZE-Raum stärken. Im Vorfeld des Ministerrates hatte Kurz im APA-Interview betont, dass er "auf Russland zugehen" wolle, auch wenn dieses etwa im Ukraine-Konflikt "rote Linien überschritten" habe. Schließlich könne es Frieden in Europa nur mit Russland geben, argumentierte Kurz.

Steinmeier kritisierte die involvierten Parteien hingegen heftig. Waffenstillstandsvereinbarungen würden nur als "Empfehlungen" betrachtet und die OSZE-Militärbeobachter in ihrer Arbeit behindert. "Dieser Zustand ist mehr als ernüchternd, er ist inakzeptabel", unterstrich Steinmeier. "Keine Mission wird einen Waffenstillstand erzwingen können, wenn der politische Wille fehlt." Nun gelte es, den Rückzug der Waffen sowie die "Entflechtung" entlang der Waffenstillstandslinie in der Ostukraine umzusetzen. Für ihre Aufgaben benötige die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aber auch eine "adäquate personelle und technische Ausstattung", forderte Steinmeier mehr Geld für die Mission.

Die 57 Staaten umfassende Organisation tagt noch bis Freitag in der Hamburger Messehalle. Mehr als 10.000 Polizisten sind im Einsatz, um für die Sicherheit der hochrangigen Teilnehmer zu sorgen. Der Tagungsort grenzt an das links-alternative Schanzenviertel, was vor allem beim G-20-Gipfel im kommenden Juli brisant werden könnte. Der Sicherheitseinsatz gilt somit als Generalprobe für den G-20-Gipfel.

(APA)

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