Die Außenminister Russlands und der USA verhandelten in Hamburg über ein Aleppo-Abkommen.
Berlin/Hamburg. Der laute und langgezogene Ton eines Schiffshorns ist in Hamburg nichts Ungewöhnliches, es sei denn, man versucht damit, Politiker zu disziplinieren. So geschehen am Donnerstag, als sich die Außenminister der OSZE in der Hamburger Messehalle versammelten. Das Signal war immer dann zu hören, wenn einer der rund 50 Teilnehmer die dreiminütige Redezeit überschritten hatte. Aber nicht alle beugten sich der deutschen Gründlichkeit. Am wenigsten die Außenminister Russlands und der USA, Sergej Lawrow und John Kerry.
Man hatte einander auch viel zu sagen, wenn auch nicht viel Freundliches. Das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen ist angespannt wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Und einer der Gründe dafür ist der Bürgerkrieg in Syrien, in dem Russland an der Seite des Assad-Regimes kämpft.
Am Rande der Konferenz kam es zu einem Gespräch zwischen Kerry und Lawrow, das zumindest in Spurenelementen Hoffnung aufkeimen ließ. Er sei zwar nicht zuversichtlich, aber hoffnungsvoll, dass es zu einer Waffenruhe in Aleppo komme, sagte Kerry hinterher. Ins Detail wollte er nicht gehen. Am Vorabend hatte Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, derzeit OSZE-Vorsitzender, auf Lawrow einzuwirken versucht. Delegationskreise berichteten danach von einem ernsten Gespräch, in dem Steinmeier auf „humanitären Zugang und eine sofortige Waffenruhe“ gedrängt habe.
Ausgeschlossen scheint das nun nicht mehr: „Wir stehen vor einer Verständigung, aber ich warne vor allzu großen Erwartungen“, sagte Lawrows Stellvertreter, Sergej Ribakow, am Donnerstag der Agentur Interfax. Konkret denkt Russland offenbar darüber nach, den Rebellen einen sicheren Abzug aus Aleppo zu erlauben. Erst wenn alle Aufständischen die Stadt verlassen haben, will es einer Waffenruhe zustimmen.
Beim zweiten großen Konflikt zwischen Russland und dem Westen kam es hingegen zu keiner Annäherung. Erneut nicht. Lawrow wies den Vorwurf, Russland setze sich in der Ukraine über Völkerrecht hinweg, als „martialische Rhetorik“ zurück. Der Westen sei selbst schuld, dass die Lage in Europa instabiler geworden sei. Man habe nach dem Kalten Krieg kein gemeinsames, sondern ein „Nato-zentriertes Sicherheitssystem“ geschaffen, das mit zweierlei Maß messe.
Auch seitens der Ukraine waren wenig versöhnliche Töne zu hören: Für eine Lösung müsste sich Russland nicht nur aus der Ostukraine, sondern auch aus der Krim und der Stadt Sewastopol zurückziehen, stellte Außenminister Pawlo Klimkin klar. Er warf dem Kreml vor, die Ukraine zum „Testgelände für moderne Methoden der irregulären Kriegsführung“ gemacht zu haben.
Österreich übernimmt OSZE-Vorsitz
Zuvor hatte Steinmeier beide Seiten heftig kritisiert: Waffenstillstandsvereinbarungen würden nur als Empfehlungen betrachtet, die Militärbeobachter der OSZE in ihrer Arbeit behindert. „Dieser Zustand ist mehr als ernüchternd, er ist inakzeptabel.“ Steinmeier, der im Februar deutscher Bundespräsident werden soll, erneuerte deshalb seine Forderung nach mehr Rüstungskontrolle in Europa: „Niemand kann wollen, dass sich eine Rüstungsspirale in Gang setzt, die uns aus der politischen Kontrolle entgleitet.“
Am Freitag wird Steinmeier den OSZE-Vorsitz an Österreich übergeben. Außenminister Sebastian Kurz will im nächsten Jahr auf Russland zugehen und schließt nicht aus, dass das OSZE-Engagement in der Ukraine ausgeweitet wird. Sollte die Militärbeobachtungsmission um eine Polizeimission ergänzt werden, werde sich auch Österreich beteiligen, kündigte er an: „Alles andere wäre keine gute Vorbildwirkung.“ (pri)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)