Kurz will mit und nicht gegen Putin

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OSZE-Ministerrat(c) APA/dpa/Christian Charisius (Christian Charisius)
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Der Außenminister plant Anfang 2017 eine Reise in den Donbass und kann sich vorstellen, im Rahmen einer Mission auch österreichische Polizisten in die Ukraine zu entsenden.

Berlin/Hamburg. Es hatte etwas von einer Hofübergabe, als würde der Vater zugunsten des Sohnes abtreten. Frank-Walter Steinmeier, noch deutscher Außenminister, ab Mitte Februar dann höchstwahrscheinlich Bundespräsident, übergab den OSZE-Vorsitz am Freitag an Sebastian Kurz: 2017 wird Österreich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa anführen. Nach einer gemeinsamen Pressekonferenz in Hamburg dankte Steinmeier seinem Nachfolger, dass er „illusionsfrei“ an die Tätigkeit herangehe. In diesen Worten schwang viel Frust mit, vor allem über die Entwicklungen in der Ukraine.

Kurz macht sich tatsächlich keine Illusionen: Eine Lösung sei nach wie vor nicht in Sicht, sagte er am Freitag zur „Presse“. Er werde sich als OSZE-Vorsitzender um einen Waffenstillstand in der Ostukraine bemühen, wenngleich er natürlich wisse, dass das noch keine Lösung sei. „Aber das würde das Leid der Menschen deutlich reduzieren.“

Das Grundproblem hinter dem Konflikt, in dem prorussische Separatisten gegen die Regierung kämpfen, sei das schwindende Vertrauen zwischen West und Ost, „ein Blockdenken, wie wir es seit dem Kalten Krieg nicht mehr hatten“. Kurz möchte gegensteuern und dabei Österreichs „historische Rolle als Brückenbauer“ wiederbeleben.

Anfang nächsten Jahres wird er in den Donbass reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Auf der Agenda der OSZE bleibt auch unter Kurz eine Polizeimission in der Ukraine. Das gehe aber nur mit Russlands Zustimmung – und die gebe es bis dato nicht. Zunächst gehe es ohnehin darum, „dass die Beobachtermission einen besseren Zugang im Krisengebiet bekommt.“ Damit nämlich klar dokumentiert werden könne, welche Seite den Waffenstillstand verletzt. Erst dann mache eine Polizeimission, die sich um eine dauerhafte Waffenruhe bemüht, Sinn. Ob sich auch Österreich daran beteiligen würde? „Wenn wir das vorschlagen, haben wir auch eine Vorbildfunktion. In einer globalisierten Welt können wir Sicherheit, Stabilität und Wohlstand im eigenen Land nur erhalten, wenn wir über die Grenzen hinaus aktiv werden“, so Kurz. Wie viele Polizisten Österreich entsenden würde, wollte er noch nicht sagen: Das wäre verfrüht.

Wenig optimistisch stimmt den Außenminister auch die Lage in Syrien: „Auch dort sind wir noch sehr weit von einer Lösung entfernt.“ Denn im Kern handle es sich um einen Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA, zwischen Saudiarabien und dem Iran. Und allen gehe es um einen möglichst großen Einfluss in der Region.

Russland attackiert die USA

In dieses Bild passte, dass Russland zeitgleich den USA vorwarf, eine Vereinbarung zu verschleppen, die den Rebellen einen sicheren Abzug aus der umkämpften Stadt Aleppo ermöglicht. Die Vereinigten Staaten verstrickten sich in seltsame, widersprüchliche Positionen, kritisierte der russische Außenminister, Sergej Lawrow, am Rande des OSZE-Treffens in Hamburg – ohne Details zu nennen. Die Chancen auf eine Einigung seien aber nach wie vor intakt. Voraussetzung dafür sei, dass die USA am Samstag an einem Expertentreffen in Genf teilnehmen.

Russland spielt in beiden Konflikten eine Schlüsselrolle. In der Ukraine unterstützt es die Separatisten, in Syrien das Assad-Regime. Kurz verhehlt nicht, dass da wie dort rote Linien übertreten wurden, zum Beispiel bei der Annexion der Krim. Aber er will den Dialog mit Russland aufrechterhalten: „Wir müssen versuchen, das Vertrauen wieder herzustellen. Frieden auf dem Kontinent kann es nur mit und nicht gegen Russland geben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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