Kein Ende der Dauerkrise in Skopje

Feiern in Skopje. Beide großen Parteien nahmen den Wahlsieg für sich in Anspruch.
Feiern in Skopje. Beide großen Parteien nahmen den Wahlsieg für sich in Anspruch. (c) REUTERS (OGNEN TEOFILVOVSKI)
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Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Mazedonien führten trotz des Denkzettels der Wähler für Dauerpremier Nikola Gruevski zu einem Patt. Nun steht eine schwierige Regierungsbildung bevor.

Belgrad/Skopje. Zumindest Mazedoniens Oppositionschef Zoran Zaev feiert nach den vorgezogenen Parlamentswahlen bereits die Zeitenwende. „Das Regime ist gefallen, wir haben heute Geschichte geschrieben!“, verkündete der Chef der Sozialdemokratischen Liga Mazedoniens (SDSM) noch in der Wahlnacht freudig seinen jubelnden Anhängern. Weit weniger ausgelassen wirkte die vermeintliche Siegesfeier der rechtspopulistischen Konkurrenz VMRO-DPMNE, die bisher die Macht im Balkanstaat innehatte. Eher betreten verkündete der in unzählige Skandale verstrickte Dauerpremier Nikola Gruevski einen erneuten Wahltriumph: „Der Sieg unserer Koalition ist ein Sieg der Republik. Die Krise muss enden – und Mazedonien vorwärtsgehen.“

Doch vorläufig tritt der Balkanstaat weiter auf der Stelle. Mit 38,06 Prozent der Stimmen konnte sich die VMRO zwar knapp als stärkste Partei vor der SDSM (36,69) behaupten, die um fast zwölf Prozent zulegen konnte. Doch da auch der albanische Koalitionspartner Demokratische Union für Integration (DUI) mit 7,3 Prozent fast die Hälfte seiner Wähler einbüßte, ist die einst klare Mehrheit der beiden langjährigen Regierungsparteien zusammen auf bescheidene 45,9 Prozent geschrumpft.

Obwohl auch den oppositionellen Albaner-Parteien Besa (4,87 Prozent), der Bewegung für Reformen (2,95 Prozent) und der Demokratischen Partei der Albaner DPA (2,61 Prozent) der Sprung ins Parlament gelang, könnten die Tücken des mazedonischen Wahlrechts der angeschlagenen Regierung selbst gar noch die angestrebte Parlamentsmehrheit von 61 der 120 Sitze bescheren: Die Zahl der den Parteien zufallenden Abgeordneten berechnet sich nicht nach den landesweiten Ergebnissen, sondern nach denen in den sechs Wahldistrikten des Landes.

Doch ein Patt scheint wahrscheinlich. „Die Wahlkommission arbeitet hart daran, der Regierung doch noch eine Mehrheit zu verschaffen“, unkte am Montag in Skopje bitter der albanische Analyst Fejzi Hajdari im Gespräch mit der „Presse“, angesichts der auffällig langen Beratungen über die künftige Mandatsverteilung: „Eine Neuauflage dieser Regierung wird nichts lösen, sondern das Land nur noch tiefer in die Krise reiten.“

Eine Große Koalition der beiden führenden slawisch dominierten Parteien ist nicht denkbar. Traditionsgemäß wird an der Regierung immer auch mindestens eine albanische Partei beteiligt. Zuletzt war dies die DUI, zuvor die Demokratische Partei der Albaner.

Ob Wahlmanipulationen, Gängelung von Justiz und Medien oder die Verfolgung von Oppositionellen: Die Veröffentlichung von der Opposition zugespielten Mitschnitten abgehörter Telefonate von Würdenträgern hatten im Frühjahr 2015 die tiefen Abgründe des von der Regierung Gruevski orchestrierten Machtmissbrauchs enthüllt – und die Dauerkrise in dem Vielvölkerstaat eskalieren lassen.

„Die Agonie hält an“

Unter EU-Vermittlung einigten sich Opposition und Regierung schließlich auf die Einsetzung einer Sonderstaatsanwaltschaft zur Untersuchung der im Abhörskandal ans Licht geratenen Verbrechen – und auf Neuwahlen.

Obwohl Nikola Gruevski zu Jahresbeginn seinen zehn Jahre gehaltenen Premiersposten an einen Funktionär der eigenen Partei abgetreten hatte, erzwang die Opposition im April und Juni die Verschiebung des geplanten Urnengangs: Sie sah die Bedingungen für faire Wahlen angesichts aufgeblähter Wahllisten und der totalen Medienkontrolle durch die Regierung in Skopje lang nicht erfüllt.

Im dritten Anlauf sind die Wahlen nun zwar über die Bühne gegangen. Doch ein Ende der Dauerkrise scheint bei dem EU-Anwärter weiter nicht in Sicht. „Die Agonie hält an“, so Hajdari: „Spätestens Ende 2017 werden wir erneut Parlamentswahlen haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)

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