Im Blitztempo stellte der neue Premier Gentiloni eine Regierung auf, um nach außen hin Stabilität zu signalisieren. Im Hintergrund dürfte allerdings Matteo Renzi weiter die Fäden ziehen.
Wien/Rom. Paolo Gentiloni hat einen Rekord gebrochen – zumindest für italienische Verhältnisse. Im Blitztempo hat der erst am Sonntag nominierte, neue italienische Premier seine Mannschaft zusammengestellt, vereidigt sind die neuen Minister auch schon. Das Ziel: Pünktlich zum EU-Gipfel am Donnerstag soll Italien wieder eine Regierung haben. Wohl auch um den nervösen Märkten – und EU-Partnern – zu signalisieren, dass das Land nach den turbulenten Referendumszeiten wieder in ruhigere Gewässer geführt worden ist.
Den Segen des Parlaments bekam der bisherige Außenminister noch am Dienstagabend: Mit der großen Mehrheit von 386 gegen 105 Stimmen gewann Gentiloni die Vertrauensabstimmung in der Abgeordnetenkammer in Rom. Auch beim heutigen Votum im Senat dürfte er die notwendigen Stimmen erhalten.
Der 62-jährige Ex-Journalist folgt Matteo Renzi nach, der nach dem gescheiterten Votum über eine De-facto-Entmachtung des Senats das Handtuch geworfen hat: Nahezu 60 Prozent der Wähler haben am 4. Dezember gegen Renzis Verfassungsreform gestimmt.
Vieles spricht aber dafür, dass der hyperdynamische Ex-Premier nicht die geringste Absicht hat, die politische Bühne zu verlassen: So ist die überraschende Entscheidung für Gentiloni ein klarer Hinweis dafür. Zwar ist der eher zurückhaltende bisherige Außenminister auch über die Grenzen seiner linksdemokratischen Partei hinweg angesehen – vor allem aber gilt der Sprössling einer Aristokratenfamilie als Renzi-Vertrauter. Dieser habe nun vor, sich auf ein Comeback vorzubereiten, um bei Wahlen (möglicherweise im kommenden Jahr) als Premierskandidat anzutreten, munkelt man.
Gentilonis Worte und Personalentscheidungen deuten jedenfalls darauf hin, dass die Renzi-Ära noch längst nicht vorbei ist: „Ich werde Renzis Arbeit fortsetzen“, sagte Gentiloni gestern klar. Dafür bürgt auch sein Team: Die meisten Renzi-Minister bleiben an ihrem Platz. Zudem wird die frühere Reformministerin Maria Elena Boschi, Initiatorin der Verfassungsreform, als Staatssekretärin Gentilonis neue rechte Hand. Ein weiteres Zeichen, dass Renzi die Fäden zieht: Die 35-Jährige ist eine seiner loyalsten Vertrauten. Gentilonis Posten als Außenminister übernimmt Ex-Innenminister Angelino Alfano, Parteichef des rechtsgerichteten Juniorkoalitionspartners.
Eine „Fotokopie-Regierung“
Die Opposition ist freilich empört über diese „fotokopierte Regierung“, wie italienische Medien am Dienstag ironisch schrieben. „Die Regierung ,Renziloni‘ entsteht mit dem Ziel, dieses Parlament bis November 2017 am Leben zu halten, damit diese Profi-Politiker das Recht auf eine üppige Pension erhalten“, poltert die fundamentaloppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung. Die Grillini hatten sich erfolgreich für ein Nein beim Referendum eingesetzt und wollen sofortige Wahlen. In Umfragen sind die Euroskeptiker derzeit stimmenstärkste politische Kraft.
Vor Neuwahlen stehen Gentiloni aber mindestens zwei Mammutprojekte bevor: Zunächst muss er den Konsens für ein Wahlgesetz finden, das für beide Parlamentskammern gilt. Das neue Mehrheitswahlrecht trifft nur auf die Abgeordnetenkammer zu, da der Senat laut Renzi-Reform nicht direkt hätte gewählt werden sollen. Ohne eine harmonisierte Regelung für beide Kammern drohen unklare Mehrheiten im Parlament – und ein noch unregierbareres Italien.
Vor allem aber muss Gentiloni einen drohenden Bankencrash verhindern. Bereits gestern machte der Premier klar, dass die mit Kapitalproblemen kämpfenden Geldinstitute mit der Hilfe der Regierung rechnen können: „Wir sind zum Eingreifen bereit, um die Stabilität der Geldhäuser zu sichern und die Spareinlagen der Bürger zu schützen.“ Italiens Banken sitzen auf faulen Krediten von rund 360 Milliarden Euro. Vor allem die älteste Bank der Welt, Monte dei Paschi, kämpft ums Überleben: Das drittgrößte Institut des Landes muss bis zum Jahresende fünf Milliarden Euro Kapital auftreiben. Und auch dafür ist es wichtig, dass Rom Investoren signalisiert, dass die politische Lage wieder stabil ist.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2016)