Gouverneur von Jakarta wegen „Gotteslästerung“ angeklagt

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Islamisten wollen Jakartas christlichen Gouverneur wegen Blasphemie ins Gefängnis schicken: Der Prozess ist ein Härtetest für die Demokratie im muslimischen Inselstaat.

Wien/Jakarta. Jakartas Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama hatte Tränen in den Augen, als er zu Wochenbeginn vor dem Richter stand. „Ich hatte nie die Absicht, den Koran zu verunglimpfen“, betonte der Christ. „Es ist, als ob man mir vorwerfen würde, dass ich meine eigenen Adoptiveltern und Geschwister beleidigen wolle. Das macht mich traurig.“

Der Auftakt des Blasphemieprozesses gegen Purnama zeigt, wie sehr die Nerven in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt, blankliegen: „Allah ist groß“, skandierten Muslime vor dem Prozessgebäude in Jakarta. Ihnen standen mehrere Demonstranten gegenüber, die die indonesische Nationalhymne sangen. Ahok, so der Spitzname des chinesischstämmigen Gouverneurs, droht wegen Gotteslästerung fünf Jahre Haft. Der Vorwurf: Er hat im Wahlkampf um eine zweite Amtszeit gesagt, politische Gegner missbrauchten Koransuren. Denn Islamisten haben die Sure al-Maidah Vers 51 zitiert und diese so interpretiert, dass Muslime keinen Nichtmuslim wählen dürfen. Purnama sagte daraufhin, es sei in Ordnung, nicht für ihn zu stimmen. Sollten die Wähler aber fürchten, deshalb in der Hölle zu landen – sei das eine Lüge. Die Ankläger warfen ihm Verunglimpfung des Islam vor – Blasphemie ist im südostasiatischen Inselstaat ein Strafvergehen.

Traum vom islamistischen Staat

Die Causa Ahok gilt als Härtetest für Demokratie und religiöse Toleranz im traditionell moderaten islamischen Land. Die Stimmung ist explosiv: In den vergangenen zwei Monaten riefen die radikale Islamische Verteidigungsfront und andere muslimische Hardlinergruppen zu mehreren Protesten gegen den Gouverneur auf. Bis zu 500.000 Menschen nahmen an diesen Massendemos teil und legten die Innenstadt von Jakarta lahm.

Die Fundamentalisten träumen davon, das säkulare Staatsprinzip Indonesiens zu zerstören und einen islamistischen Staat zu errichten. Während eine jihadistische Minderheit dieses Ziel mit Gewalt erreichen will, versuchen ultrakonservative Gruppen, den institutionellen Weg zu gehen: Als nützliches „Werkzeug“ erweist sich das seit 1969 geltende Blasphemieverbot, das auch zunehmend als „Waffe“ gegen religiöse Minderheiten – unter anderem Buddhisten, Christen, Hindus – eingesetzt wird. In den vergangenen Jahren wurden alle Menschen, die wegen Gotteslästerung angeklagt wurden, verurteilt. Derzeit prüft das Verfassungsgericht zudem die Forderung von Islamisten, Homosexualität und außerehelichen Sex unter Strafe zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist der Ahok-Prozess brisant: Noch nie zuvor wurde eine so hochrangige Persönlichkeit wegen Blasphemie angeklagt. Eine Verurteilung wäre ein Sieg für Islamisten und ein Rückschlag für die seit 1998 bestehende Demokratie.

Diese Spannungen drohen auch alte Ressentiments gegen die seit mehr als 500 Jahren in Indonesien ansässige chinesische Minderheit – die meisten von ihnen Christen aus der Händlermittelschicht – wieder aufkochen zu lassen. Chinesen wurde in der Vergangenheit immer wieder zur Zielscheibe von Gewalt: Wach sind die Erinnerungen an die blutigen 1960er-Jahre, als General Suharto die Macht übernahm und seine Schreckensherrschaft etablierte: Hunderttausende Chinesen wurden damals enteignet und ermordet.

Noch stellen sich moderate Muslime hinter Ahok. Doch der einst populäre Gouverneur verliert in Umfragen und muss um seine Wiederwahl in Februar bangen. Auch sein größter Förderer distanziert sich: Bei einer der Islamistenproteste betete Staatschef Joko Widodo gemeinsam mit Demonstranten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2016)

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