China als Drohnendieb

Ein Ozeangleiter (hier auf einem britischen Schiff - übrigens mit einem Kran der österreichischen Firma Palfinger) ähnlich jenem der US-Marine, der im Südchinesischen Meer gestohlen wurde.
Ein Ozeangleiter (hier auf einem britischen Schiff - übrigens mit einem Kran der österreichischen Firma Palfinger) ähnlich jenem der US-Marine, der im Südchinesischen Meer gestohlen wurde.(c) AFP (CMDR SANTIAGO CARRIZOSA)
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Ein chinesisches Schiff stahl eine US-„Unterwasserdrohne“, als ein Schiff der US Navy selbige soeben aus dem Meer holen wollte. China will sie zurückgeben, übt aber zugleich scharfe Kritik.

Im Südchinesischen Meer unweit der nordphilippinischen Küste ist es, wie am Wochenende bekannt wurde, am Donnerstag zu einem Zwischenfall gekommen, den es in dieser Form bisher selten gegeben hat und der die schwelende internationale Krise um die Gebietsansprüche der Anrainerstaaten anheizen dürfte.

Rund 80 Kilometer nordwestlich von Subic Bay hat sich ein Schiff der chinesischen Marine der USNS Bowditch, einem unbewaffneten Vermessungsschiff der US Navy, auf 500 Meter genähert und ein kleines, unbemanntes Unterwasserfahrzeug (UUV) aus dem Meer gefischt, das eigentlich die Bowditch hatte an Bord holen wollen. Funksprüche der Amerikaner, die Chinesen sollten das torpedoförmige Ding herausrücken, wurden beantwortet, aber nicht befolgt: Deren Schiff, ein leicht bewaffnetes U-Boot-Unterstützungs- und -Rettungsschiff der Dalang-III-Klasse namens Nan-Jiu (das weist es als Rettungsschiff der Südmeerflotte aus), fuhr davon. Es war vorerst unbekannt, ob die Bowditch oder andere Fahrzeuge es verfolgen.



Energiearmer Ozeangleiter. Das UUV ist ein sogenannter Ozeangleiter namens "Seaglider" der Firma Kongsberg aus Norwegen. Ozeangleiter sind quasi Unterwasserdrohnen, die mit Sensoren etwa zur Messung von Temperatur, Salzgehalt, Magnetismus etc. bestückt werden, den Boden vermessen und Kameras mitführen können. So lassen sich zivile und militärisch nutzbare Karten und Datensätze erstellen, es ist bekannt, dass das besonders für U-Boot-Operationen wichtig ist.

Ozeangleiter funktionieren ohne Schrauben- oder Druckstrahlantrieb: Sie bewegen sich mit Batterien als Energiequelle, indem sie stetig ihren Auftrieb verändern und Seitenflügel bewegen. Es ergibt sich eine sägeblatt- oder sinusförmige Bewegung, die in Längsrichtung zwar recht langsam ist, aber für die wenig Energie nötig ist und somit sehr lange dauern kann: Diese Gefährte können monatelang und über viele tausend Kilometer fahren, lenken sich autonom über GPS- und Trägheitssteuerung und sind mithin per Satellit steuerbar.

Funktionssschema eines Seaglider
Funktionssschema eines Seaglider Kongsberg

Ein Sprecher des Pentagon sagte, dass die Bowditch von Zivilisten bemannt sei, Routinemessungen durchgeführt habe und zwei Gleiter habe bergen wollen (bei einem davon gelang das). Beide seien gewöhnliche, nicht geheime Objekte. Man habe über diplomatisch-militärische Kanäle mit Peking Kontakt aufgenommen, um die Drohne zurückzubekommen. Peking müsse einlenken, denn die Drohne sei Staatseigentum.

Nach direkten Gesprächen mit dem Pentagon erklärte sich China schließlich am Samstagabend bereit, die Drohne zurückzugeben. Zugleich warf es Washington in einer schriftlichen Erklärung eine "unangebrachte" Dramatisierung des Vorfalles vor. Erneut wurde auch Amerikas "langjährige" Praxis "militärischer Erkundungen aus nächster Nähe" in von China beanspruchten Gewässern angeprangert. China fordere ein Ende dieser Aktivitäten, werde weiter "wachsam" sein und "nötige Maßnahmen als Antwort ergreifen".

Nach Angaben des Pentagons hatte das US-Militär das unbemannte Fahrzeug im Zuge von "Routine-Operationen" im Südchinesischen Meer nahe den Philippinen zum Sammeln von ozeanografischen Daten eingesetzt.



Philippinische Hoheitsgewalt verletzt? Die exakte Position des Vorfalls war vorerst unklar, sie könnte aber durchaus noch innerhalb der seerechtlichen Anschlusszone gelegen sein: Diese reicht bis 24 Seemeilen (ca. 44 Kilometer) vor der Küste, darin hat der Küstenstaat noch eingeschränkte Hoheitsrechte, etwa Polizeigewalt. China freilich hat seit Jahrzehnten (und mit Verve und Materialeinsatz speziell in den vergangenen Jahren) demonstriert, dass es fast das ganze Südchinesische Meer als Besitz erachtet – aufgrund „historischer" Ansprüche, die erst heuer vom Ständigen Schiedshof in Den Haag verneint worden sind, nach einer Klage Manilas.

Peking blieb dem Prozess weitgehend fern und will den Spruch nicht anerkennen. Es hält seine Gebietsansprüche auf das rohstoff- und fischreiche Meer, durch das ein wesentlicher Teil der Weltschifffahrt (in Tonnage gemessen) fährt, aufrecht. So ergeben sich Gebietsüberschneidungen mit den ausschließlichen Wirtschaftszonen, ja teils sogar Hoheitsgewässern von Vietnam, Malaysia, Brunei, Taiwan und zuletzt auch noch Indonesien.

Die USA und andere Staaten, etwa Japan und Australien, betonen ihrerseits die Freiheit der Schifffahrt, die US Navy führt immer wieder „Freedom of Navigation"-Aktionen dort durch, bei denen Kriegsschiffe und Flugzeuge das Gebiet demonstrativ queren. Umgekehrt hat China zahlreiche Sandbänke und Riffe, etwa der Spratly Islands, zu Stützpunkten ausgebaut, um seine Ansprüche faktisch zu untermauern, und Luftabwehrsysteme stationiert.


„Flagrante Völkerrechtsverletzung". US-Senator John McCain, Chef des Außenpolitischen Ausschusses im Senat, warf China „flagrante Völkerrechtsverletzung" vor; dieses erwiderte, die US-Drohne habe spioniert und die nationale Sicherheit gefährdet. Zudem seien „Übertreibungen" der USA unnötig und der Lösung der Causa nicht dienlich.

Im März 2009 hatte es übrigens einen ähnlichen Vorfall im Südchinesischen Meer gegeben: Damals bedrängten chinesische Trawler ein US-Aufklärungsschiff und versuchten erfolglos, sein Schleppsonar, das dieses an einem langen Kabel hinter sich her zog, abzuschneiden und zu stehlen. Mit dem Sonar kann man den Meeresboden vermessen und U-Boote aufspüren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2016)

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