Aleppo: Evakuierung wieder aufgenommen

Rebellenkämpfer und Zivilisten warten auf ihren Abtransport aus Aleppo in andere Gebiete, die noch nicht unter Kontrolle der Regierung sind.
Rebellenkämpfer und Zivilisten warten auf ihren Abtransport aus Aleppo in andere Gebiete, die noch nicht unter Kontrolle der Regierung sind. (c) REUTERS (ABDALRHMAN ISMAIL)
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Nach tagelanger Pause konnten am Sonntag wieder Busse in die von Regierungstruppen zurückeroberte syrische Stadt sowie in Dörfer fahren, um Menschen wegzubringen.

Zwei Tage nach dem Abbruch der Evakuierung der nordsyrischen Stadt Aleppo durch das Regime nach dem Sieg der Regierungstruppen fuhren am Sonntag wieder Dutzende Busse in das verbliebene Rebellengebiet, um Menschen abzuholen. Schätzungsweise 40.000 bis 50.000 Menschen harren dort in völlig überfüllten und von Bomben verwüsteten Vierteln aus und warten auf Rettung. Sie sollen in die benachbarte Provinz Idlib gebracht werden, die die Aufständischen noch kontrollieren.

Abertausende müssen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt auf der Straße schlafen, weil sie in den Hausruinen oder ausgebrannten Fabrikhallen keinen Platz finden. Kinder sind verstört von dem Dauerbombardement, das sie durchgemacht haben. Die Evakuierung war am Freitag nach der Abfahrt der ersten 8000 Verwundeten, Rebellen und Zivilisten unterbrochen worden, als einer der Buskonvois beschossen wurde und umkehren musste. Auslöser des Angriffes war offenbar ein Disput um die von Aufständischen umzingelten schiitischen Dörfer Al-Foua und Kefraya in der Provinz Idlib. Dort ließen islamistische Bewaffnete die Hilfsfahrzeuge nicht passieren, die 4000 Menschen abholen sollten.

In beiden Ortschaften sind seit September 2015 etwa 20.000 Bewohner von der radikalen al-Nusra-Front eingeschlossen. Gemäß der am Sonntag erreichten Einigung durften Busse nun auch diese Dörfer ansteuern. Zudem sollen aus den von Regierungstruppen umzingelten Orten Zabadany und Madaya nahe der libanesischen Grenze Kranke und Hilfsbedürftige geholt werden.

Nach wenigen Stunden gab es nahe den schiitischen Dörfern jedoch erneut einen schweren Zwischenfall. Sechs Busse wurden angegriffen und in Brand geschossen – offenbar von al-Nusra-„Gotteskriegern“.

UNO-Beobachter nach Aleppo?

Der UN-Sicherheitsrat beschäftigt sich mit Aleppo. Frankreich legte eine Resolution vor, die die Vereinten Nationen autorisiert, Beobachter in die Enklave zu schicken, um Massaker zu verhindern und den „willentlichen, sicheren und würdigen“ Abtransport der Menschen zu überwachen. Das Ergebnis steht noch aus.

In Berlin, Stuttgart, Hamburg, Paris und London protestierten am Wochenende zahlreiche Bürger gegen den Krieg in Syrien. Angesichts der wachsenden Kritik in Europa verteidigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Zurückhaltung des Militärbündnisses. Ein Militäreinsatz könne zu einer weiteren Eskalation beitragen, sagte Stoltenberg der „Bild am Sonntag“. „Wir würden riskieren, dass es ein größerer regionaler Konflikt wird. Oder dass noch mehr Unschuldige sterben.“ Manchmal seien die Kosten des Einsatzes militärischer Mittel größer als der Nutzen, und mit Blick auf Syrien seien die Nato-Partner zu dem Ergebnis gekommen, dass der Einsatz von Militär eine schreckliche Situation noch schrecklicher machen würde.

Der scheidende UN-Generalsekretär, Ban Ki-moon, appellierte erneut an Damaskus, Moskau und Teheran, die eingeschlossenen Menschen abziehen zu lassen. „Aleppo ist ein Synonym für die Hölle“, sagte er. Das Gemetzel in Syrien bleibe „ein klaffendes Loch in dem Gewissen der Menschheit“.

Russisch-türkisch-iranischer Gipfel

Russland, die Türkei und der Iran wollen unterdessen ihre geplanten Beratungen über Syrien um eine Woche auf Dienstag vorziehen. Die Außenminister der drei Länder wollten sich am 20. Dezember in Moskau treffen, teilte das iranische Außenministerium am Samstag in Teheran mit. Die drei unterstützen in Syrien entgegengesetzte Seiten: Russland und der Iran helfen Staatschef Bashar al-Assad auch militärisch, die Türkei oppositionellen Kräften. Das türkische Militär geht in Syrien zudem gegen kurdische Milizen vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2016)

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