Orbán erhält hochrangige Hilfe aus Israel

Premier Orbán bekommt Besuch von Netanjahu.
Premier Orbán bekommt Besuch von Netanjahu. (c) APA/AFP/ATTILA KISBENEDEK
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Der israelische Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, wird 2017 Budapest besuchen. Ungarns Diplomatie verbucht das als großen Erfolg, denn Viktor Orbáns Regierungspartei wurde zuletzt immer wieder Antisemitismus vorgeworfen.

Budapest. Es wäre normalerweise eine kleine Meldung, die niemand beachtet: Dieser oder jener Regierungschef wird nächstes Jahr dieses oder jenes Land besuchen. Es geht aber um Israels Ministerpräsidenten, Benjamin Netanjahu, und er wird nächstes Jahr Ungarn besuchen. Das macht die Meldung spektakulär. Denn Ungarn ist ein Land, dem in allen westlichen Medien seit Jahren zu Recht oder Unrecht massiver Antisemitismus vorgeworfen wird. Der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán wird unterstellt, sie tue zu wenig gegen antisemitische Umtriebe oder fördere sie sogar.

Durchbruch für Budapest

Insofern ist der Besuch Netanjahus ein riesiger Durchbruch für die ungarische Diplomatie. Denn Ungarns Regierung kann künftig argumentieren, dass Israels Premier wohl nicht nach Budapest kommen würde, wenn diese Vorwürfe gegen sie stimmten.

Im Hintergrund tat sich schon seit Langem etwas, beide Regierungen waren in engem Kontakt. Schon vor zwei Jahren war man in Jerusalem geneigt, Offenheit zu zeigen gegenüber Budapest, aber da das Thema „Antisemitismus in Ungarn“ ständig in den Medien hochkochte, hielt man es nicht für klug, das auch zu zeigen. Zu groß schien das Risiko, dass man etwas ankündigt und dann sofort ein Antisemitismus-Skandal auftaucht.

Jetzt aber ist es offiziell: Netanjahu kommt in der zweiten Jahreshälfte 2017, sagte ein Sprecher der ungarischen Regierung. Das Treffen sei in einer Reihe von Telefongesprächen der beiden Regierungschefs persönlich vereinbart worden.

Aufwertung für Ungarns Premier

Es ist insofern ein doppelter Erfolg, da Ungarn im zweiten Halbjahr 2017 den turnusmäßigen Vorsitz der Visegrád-Gruppe übernehmen wird (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei), und der israelische Regierungschef Orbán demnach auch in dieser Funktion besuchen wird. Es ist eine bewusste Aufwertung der in Europa immer einflussreicheren Visegrád-Länder durch Netanjahu und damit auch eine doppelte Aufwertung Orbáns, der ein maßgebender Architekt der neuen, vertieften V4-Kooperation ist.

Ähnliche Charaktere

„Orbán und Netanjahu sind sich sehr ähnlich, sogar in kleinen Charakterdetails“, sagte ein israelischer Diplomat vor einiger Zeit zur „Presse“. Es ging in diesem Gespräch um die hinter den Kulissen eigentlich sehr guten Beziehungen beider Regierungen, und um die Probleme, dies auch offen zu demonstrieren. Zwei Machtmenschen, die einander schätzen, so klang es in dem Gespräch durch. In Jerusalem schätzt man offenbar auch János Lázár, der das Kabinett Orbáns führt und als dessen „Kronprinz“ gilt.

Tatsächlich hat kaum eine ungarische Regierung mehr getan als die jetzige Regierungspartei Fidesz, um das Verhältnis zu Israel auf eine solide Grundlage zu stellen. Schon in seiner ersten Regierungszeit führte Orbán den Holocaust-Gedenktag ein, Holocaust-Kurse wurden zum Pflichtfach an Universitäten gemacht.

Kritik an Fidesz-Mitgründer Zsolt Bayer

Allerdings führten diverse als antisemitisch gewertete Äußerungen von Fidesz-Mitgliedern (etwa in Schriften des Partei-Mitgründers und Journalisten Zsolt Bayer) zu Protesten. Auch die Denkmalpolitik sorgte zuweilen für Kritik in den Medien, besonders ein Denkmal zur Erinnerung an die deutsche Besatzung Ungarns 1944.

In vielen dieser Monumente wird Ungarn als engelhaftes Opfer des bösartigen deutschen Adlers dargestellt. Die Magyaren als Opfer – genauso wie die deportierten Juden, die der ungarische Staat aber aktiv deportieren half, und so zum Täter wurde, nicht zum Opfer. Es ist eine Symbolik, wie um Ungarn reinzuwaschen – nach dem Motto: Nicht wir waren es, Hitler war es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2016)

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