Iran: Ein Rückschlag für die Reformer um Rohani

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Ayatollah Rafsanjani war ein wichtiger Fürsprecher des gemäßigten Lagers. Seine Stimme wird im Wahlkampf für die Präsidentenwahl im Mai fehlen – und auch angesichts einer Verschärfung der Spannungen mit dem Erzfeind USA.

Wien/Teheran. Neben der engeren Familie war Hassan Rohani am Sonntagabend als einer der ersten ans Totenbett seines Mentors in das Tajirish-Spital im Norden Teherans geeilt, und er konnte seine Trauer kaum unterdrücken, als er Ayatollah Ali Akbar Hashemi Rafsanjani seine Reverenz erwies. In einer Würdigung via Twitter pries der iranische Präsident einen seiner Vorgänger, die graue Eminenz des Mullah-Regimes, als „Idol des Widerstands und Symbol der Geduld“. Er verkündete eine dreitägige Staatstrauer, und wie andere Protagonisten der moderaten Kräfte zollte er er ihm anderntags in der Jamaran-Moschee, wo der Leichnam vor der heutigen Beisetzung aufgebahrt war, noch einmal seinen Tribut.

Nach Rafsanjanis Tod ist das fragile Machtgefüge im Iran, geprägt vom beständigen Kampf zwischen Hardlinern und Gemäßigten, aus der Balance geraten. Er reißt eine große Lücke. Viele Beobachter werten sein Ableben als herben Rückschlag für das Reformlager. Die Konservativen sahen sich zuletzt jedenfalls bestärkt, die Uhr zurückzudrehen – in der Menschenrechtspolitik, bei der Meinungsfreiheit, in der Liberalisierung. Zuletzt haben die Hardliner eine Ausstellung moderner Kunst aus der Sammlung Farah Dibas, der zweiten Ehefrau Schah Reza Pahlavis, in Berlin vorerst verhindert. Die Picassos, Pollocks, Warhols waren jahrzehntelang im Palast verstaubt. Die Schau war quasi als Gastgeschenk anlässlich einer Teheran-Visite des deutschen Außenministers, Frank-Walter Steinmeier, gedacht.

Der Einfluss des „Hais“

Der doch jähe Tod des 82-jährigen Rafsanjani trifft die Reformer unvorbereitet. Zumal viele Iraner eher mit dem Tod Ayatollah Ali Khameneis, des geistlichen Führers, gerechnet haben, der seit Jahren an Prostatakrebs leidet. Noch im Vorjahr hat Rafsanjani unter großem Staunen hinausposaunt, der Expertenrat habe zwei Nachfolgekandidaten für das höchste Amt der schiitischen Republik nominiert. Der machiavellistische Königsmacher hatte 1989 schließlich auch Khamenei auf den Schild gehoben.

Nicht zuletzt dem Einfluss des „Hais“ – so der Spitzname Rafsanjanis – hatte Rohani seine Wahl zum Präsidenten im Mai 2013 zu verdanken. Der Wächterrat ließ den Multifunktionär, den Vorsitzenden des Schlichtungsrats, damals nicht zur Wahl zu. Seither unterstützte Rafsanjani das moderate Lager um Rohani und dessen Außenminister, Mohammed Javad Zarif, ihren vorsichtigen Kurs der Öffnung gegenüber dem Westen und ihren Atomdeal – wie er zuvor auch offen Partei für den Präsidenten, Mohammed Khatami, und die 2009 niedergeschlagene grüne Revolution“ ergriffen hatte, deren Führer immer noch unter Hausarrest gestellt sind. Khatami steht seit Längerem unter dem Bann der Zensur.

Als mächtiger Fürsprecher hätte Rafsanjani auch bei der Präsidentenwahl im Mai eine maßgebliche Rolle gespielt. Noch haben sich die Konservativen und die Hardliner nicht auf einen Gegenkandidaten gegen Rohani geeinigt. Einer der Anwärter, der Teheraner Bürgermeister, Mohammad Bagher Ghalibaf, war bei vorigen Wahlgängen gescheitert. Eine erneute Kandidatur des Ex-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad hat Ayatollah Ali Khamenei, explizit untersagt.

Rafsanjani hat seinen Spielraum als enger Mitstreiter Ayatollah Ruhollah Khomeinis, des Gründervaters der Theokratie, durch bewusste Provokationen und oft als Gegenpol Khameneis genutzt. Er wagte es, an Tabus zu rühren. Die Stimme des 82-jährigen Patriarchen, des Oberhaupts einer der reichsten Familien des Landes, wird fehlen – zumal als Ventil für den tiefen Frust im iranischen Volk. Die Verheißungen für eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Öffnung, für eine prosperierende Zukunft, haben sich eineinhalb Jahre nach der Einigung im Atomstreit in Wien längst nicht erfüllt. Das Gemurre in Teheran ist unüberhörbar – und die Turbulenzen mit Washington in der Ära Trump werden zunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2017)

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