Der nicht unumstrittene Davidsstern am Brandenburger Tor

Das Brandenburger Tor erstrahlte in den Nationalfarben Israels.
Das Brandenburger Tor erstrahlte in den Nationalfarben Israels.(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Deutschland zeigte nach dem Anschlag in Jerusalem seine Solidarität mit Israel. Doch die Lage in Ost-Jerusalem ist politisch komplizierter.

Das weltberühmte Berliner Wahrzeichen erstrahlte zum ersten Mal in den blau-weißen Nationalfarben Israels samt Davidsstern. Mit dieser besonderen Geste zeigt Deutschland nach dem tödlichen Lastwagen-Anschlag in Jerusalem seine Solidarität mit Israel. Wie zuvor nach Attentaten in Paris, Brüssel, Istanbul und Berlin.

Die Reaktionen im jüdischen Staat sind euphorisch. "Danke, Deutschland, dass Ihr uns in unserem gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus zur Seite steht", schreibt Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bei Twitter, der als Textabschluss die deutsche und die israelische Flagge eingefügt hat.

Auch die Abgeordnete Sahava Galon von der linksliberalen Oppositionspartei Meretz äußert sich sehr bewegt über das Zeichen der deutschen Solidarität. "Deutschland ist das einzige Land in Europa, das einen solchen Akt vollzieht", schreibt der TV-Journalist Nadav Eyal.

Ost-Jerusalem ist besetztes Gebiet

In Berlin entscheidet die Senatskanzlei darüber, wann das Brandenburger Tor in bestimmten Landesfarben angestrahlt wird. Eine Debatte darüber, warum etwa nur die französische oder belgische Flagge, nicht aber die irakische, syrische oder evlt. kongolesische Flagge gezeigt werden, gibt es seit Anfang an. Doch im Falle des Anschlags in Israel ist die Lage politisch komplizierter, es ist keine reine Frage der Nähe und Betroffenheit.

Denn der Ort des Anschlags, bei dem am Sonntag vier israelische Soldaten getötet und 17 weitere verletzt wurden, liegt im seit 1967 besetzten Teil Jerusalems - also nicht im israelischen Kernland. Israels Souveränität über ganz Jerusalem ist international nie anerkannt worden. Auch der Vergleich der Lastwagen-Attacke auf die Soldaten mit den Anschlägen in Nizza und Berlin ist umstritten.

"Jerusalem ist nicht Berlin", schreibt ein Kommentator der israelischen Zeitung "Haaretz". Netanyahus Theorie, der palästinensische Attentäter sei von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu seiner Tat inspiriert worden, passe gut zu der Botschaft, die er der Welt übermitteln wolle: "Dass Jerusalem, wie Berlin und Nizza, nur eine weitere westliche Stadt ist, die mit brutalem, kompromisslosem Terror globaler Islamisten zu kämpfen hat." Dabei blende er aus, dass die arabischen Einwohner Ost-Jerusalems unter Besatzungsbedingungen lebten.

Anspruch auf ganz Jerusalem?

Seit dem Fall der Mauer ist das Brandenburger Tor auch ein Symbol der deutschen Einheit. Dass es am Montagabend in den israelischen Nationalfarben illuminiert wurde, als Reaktion auf einen Anschlag in Jerusalem, lässt sich auch als implizite Anerkennung des israelischen Anspruchs auf die Stadt als seine "ewige, unteilbare Hauptstadt" auslegen.

Netanyahu steht zur Zeit wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck und hat durch Kritik des UNO-Sicherheitsrats und der scheidenden US-Regierung an seiner Siedlungspolitik einen starken Dämpfer erlitten. Er hofft auf mehr Rückendeckung durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump und aus dem Ausland allgemein. Dieser hat schon angekündigt, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und die Stadt als Hauptstadt Israels anzuerkennen, was auf scharfen Protest von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas stieß.

Früher Hakenkreuz, jetzt Davidsstern

In diesen stürmischen Zeiten kommt Netanyahu das Zeichen der Solidarität aus Deutschland sehr gelegen. Viele Israelis sehen die Berliner Geste jedoch in einem größeren historischen Zusammenhang. Das Brandenburger Tor gilt vielen noch als Symbol des Nazi-Terrors gegen die Juden. Dass es nun in den blau-weißen Farben mit Davidstern erstrahlt ist, wird als starkes historisches Signal und als Triumph des jüdischen Überlebenswillens aufgenommen.

Bei Twitter teilen viele Israelis zwei symbolträchtige Bilder nebeneinander: Das Brandenburger Tor vor 80 Jahren mit roten Hakenkreuz-Flaggen und am Montag in den blau-weißen Farben der israelischen Flagge mit Davidstern. "In jenen Tagen und in dieser Zeit", schreibt dazu der israelische Diplomat Danny Ayalon am Dienstag. "Wirklich großartig."

Die jüdische Schriftstellerin und Regisseurin Inna Rogatchi, die sich in ihren Werken intensiv mit dem Holocaust befasst hat, sagte: "Da der Führer und die restlichen Toten diesen Ausblick nicht mehr genießen können, wünsche ich jedem einzelnen Nazi, der heute noch lebt, einen wunderschönen Alptraum."

(APA/dpa/Sara Lemel)

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