Geopolitik: „Machtverlust der USA ist unwiderruflich“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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US-Politologe Parag Khanna sieht neue tripolare Welt mit China und starker EU. Der relative Machtverlust der USA sei eben strukturell bedingt und unwiderruflich.

WIEN.Für Parag Khanna, den Shootingstar unter den US-Politologen, sieht die Welt so aus: Die Ära der amerikanischen Dominanz ist vorbei. Es bilden sich zwei weitere Pole heraus: China – und auch Europa. Khanna gehört zu jenen, die das Einigungswerk der EU von außen bestaunen. In Wien sprach der erst 32-jährige indischstämmige Buchautor („Kampf um die zweite Welt“) und Experte der US-Denkfabrik New America Foundation vor Journalisten in fließendem Deutsch von einer „negativen Besessenheit“, mit der sich Europa im öffentlichen Diskurs abwerte.

Der Alte Kontinent trage ebenso wie die USA zu einem Viertel der Weltproduktion bei, wobei der US-Anteil leicht rückläufig sei und China (15 bis 16 Prozent) mit Riesenschritten aufhole. Die außenpolitische Uneinigkeit Europas sei nicht immer ein Nachteil, weil sie Raum für einzelstaatliche Initiativen lasse, so Khanna.

US-Präsident Obama habe die neue multipolare Welt akzeptiert, doch die USA hätten dennoch nicht an Einfluss gewonnen. Die Außenpolitik Chinas oder Indiens habe sich seit der Wahl Obamas nicht geändert. Der relative Machtverlust der USA sei eben strukturell bedingt und unwiderruflich. Zu erkennen sei das auch daran, dass der Dollar an Wert verliere und als Leitwährung infrage gestellt werde, behauptete Khanna, den das Österreichische Institut für Internationale Politik anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums eingeladen hatte.

Wohin tendiert die Zweite Welt?

Essenziell für die Balance der drei Weltmächte sei, auf welche Seite sich die Zweite Welt – Indien oder Brasilien – schlage. China versuche seit der Finanzkrise mehr denn je, Allianzen mit Milliardeninvestitionen zu kaufen. Und trotzdem habe es immer noch genug Reserven, um seine Wirtschaft mit gigantischen Konjunkturpaketen auf Trab zu halten. Längst habe das chinesische Modell des autoritären Kapitalismus Nachahmer gefunden, erfolgreich umgesetzt sei es aber noch nirgendwo anders geworden.

Russland zählt der Experte nicht mehr zu den Supermächten, es sei dafür sowohl wirtschaftlich als auch demografisch zu schwach. Wie die Türkei werde Russland aber allein wegen seiner geografischen Lage eine Zwischenmacht mit Brückenfunktion bleiben.

Militärische Überlegenheit ist für Khanna kein entscheidendes Kriterium mehr. Diese Lektion sei den USA im Irak und in Afghanistan erteilt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2009)

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