Israel brüskiert USA durch neue Siedlungspläne

(c) AP (Dan Balilty)
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Die Regierung Obama protestiert heftig gegen neue Bauvorhaben in Ostjerusalem – und muss machtlos zusehen. Israels Premier Netanjahu will die Aufregung nicht verstehen.

Jerusalem.Israel hat sich zielsicher weiter ins internationale Abseits manövriert: Ursache ist der Bau von 900 neuen Wohnungen in der Siedlung Gilo bei Jerusalem. Fast im Wortlaut verurteilten die USA, das britische Außenministerium und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon den geplanten Neubau, mit dem „die Friedensbemühungen unterwandert werden“, so der UN-Chef. Israels Premier Benjamin Netanjahu zeigte sich überrascht angesichts der Aufregung. Das „Viertel Gilo“, so fügte er hinzu, „ist integraler Teil Jerusalems.“ Das sehen nicht alle so.

Erst wenige Stunden, bevor der Plan an die Öffentlichkeit gelangt war, hatte der US-Nahost-Beauftragte George Mitchell die Regierung in Jerusalem ausdrücklich gebeten, von einem weiteren Ausbau der Siedlungen Abstand zu nehmen. Seit Monaten unternimmt Mitchell einen Marathon zwischen Washington, Ramallah und Jerusalem mit dem Ziel, die Konfliktpartner wieder an einen Tisch zu bringen.

Die USA mussten die Entwicklung als Affront empfinden, als unmittelbare Provokation Israels. Netanjahu wies den Verdacht, provozieren zu wollen, von sich, gab jedoch aus Sorge vor einer Zuspitzung seinen Ministern Anweisung, sich vorerst nicht öffentlich in der Affäre zu äußern.

Er selbst sprach von einer „Routineentscheidung des regionalen Verwaltungsrats“. Wie bei der Entscheidung über den Bau neuer Wohnviertel „in Haifa oder Tel Aviv“ werde der Premier auch in Jerusalem nicht um seine Zustimmung gebeten. Netanjahu macht keinen Unterschied zwischen Israel und den besetzten Palästinensergebieten solange es sich „um das städtische Verwaltungsgebiet Jerusalems handelt“. Der von ihm in Aussicht gestellte Baustopp ist auf die jüdischen Siedlungen im Westjordanland beschränkt.

Enttäuschte Palästinenser

„Gilo ist Teil des israelischen Konsenses“, stellte sich auch Oppositionschefin Tzipi Livni von der Zentrumspartei Kadima hinter die Entscheidung für den Bau neuer Wohnungen. Die Siedlung, in der schon heute rund 40.000 Israelis leben, wurde von der Regierung annektiert und als Teil Jerusalems deklariert. Die nun genehmigten 900 Wohneinheiten machen nur eine erste Phase in einem Stufenplan aus, der insgesamt 4000 neue Wohneinheiten umfasst.

In einem Interview mit Fox News zeigte sich Obama erkennbar ungeduldig: Israels Schritt werde es erschweren, Frieden in der Region zu erreichen und könnte die Palästinenser „auf sehr gefährliche Weise verbittern“. Der langjährige palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat kommentierte entsprechend, als er von „900 weiteren Gründen“ sprach, „warum die Hoffnung auf eine Rettung der Zweistaatenlösung und die Wiederaufnahme von ehrlichen Verhandlungen rapide nachlässt und warum Israel kein Partner für den Frieden ist“.

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas verweigert eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, solange Israel den Siedlungsbau fortsetzt. Aus Enttäuschung über die USA, die ihm zunächst volle Rückendeckung signalisierten, dann aber doch einen Rückzieher machten, kündigte Abbas an, nicht noch einmal bei Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte jüngst Netanjahu gelobt, der sich mit dem angekündigten Baustopp im Westjordanland weiter auf die Palästinenser zubewege als alle seine Vorgänger.

Keine einseitige Ausrufung

Mit dem Aufschub der Wahlen im Westjordanland scheint die Gefahr eines Ausstieges von Abbas aus der Politik zunächst gebannt zu sein, allerdings war zwischenzeitlich sogar die die Auflösung der gesamten palästinensischen Autonomiebehörde im Gespräch, wodurch Israel wieder die gesamte Verantwortung zufallen würde.

Erekat stritt vor Journalisten ab, dass die Palästinenser eine einseitige Staatsausrufung planten. Netanjahu hatte in den vergangenen Tagen mit „einseitigen Maßnahmen“, also einer Annexion von Teilen der besetzten Gebiete gedroht, sollten die Palästinenser ihrerseits einen Alleingang unternehmen.
Leitartikel, Seite29

AUF EINEN BLICK

Gilo gehört aus israelischer Sicht als Vorort zu (seinem) Jerusalemer Stadtgebiet, aus palästinensischer Sicht handelt es sich um eine jüdische Siedlung. 40.000 Israelis sind bereits dorthin gezogen, die Regierung hat Pläne für 4000 Wohneinheiten, die Errichtung von 900 wurde zum Ärger von USA, EU und UNO diese Woche bekannt gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2009)

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