New York, die Stadt der Moscheen

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In der US-Metropole leben rund 800.000 Muslime. Ein Bauverbot für Minarette stand nie zur Debatte. Daran änderten auch die Anschläge vom 11.September 2001 nichts.

New York. Das Gebäude an der noblen Upper East Side in Manhattan sticht sofort ins Auge. Im Gegensatz zu den benachbarten Häusern ist der Eingang nicht zur Straße gerichtet, sondern um exakt 29 Grad gedreht. Dafür erteilte die Stadtverwaltung eine Ausnahmegenehmigung. Es handelt sich nämlich um eine Moschee. Der Eingang des „Islamic Cultural Center“ sollte deshalb in Richtung Mekka zeigen. Neben dem Gebetshaus ragt ein 40 Meter hohes Minarett in den Himmel.

Es ist ein Bild, das man in New York sehr oft findet. Die Stadt, die am 11.September 2001 von islamistischen Extremisten angegriffen wurde, zählt mehr als 200 Moscheen. Neben 40 von ihnen stehen Minarette. „Wir fühlen uns hier unglaublich wohl. Es ist toll, wie der Islam in den USA akzeptiert wird“, sagt Mohammed Shamsi Ali im Gespräch mit der „Presse“. Shamsi Ali ist der Imam des „Islamic Cultural Center“ und zählt zu den einflussreichsten Muslimen der Vereinigten Staaten.

Schweizer Votum „lächerlich“

Insgesamt leben in den USA dem „Pew Research Center“ zufolge 2,5 Millionen Muslime, knapp 800.000 davon in New York. Viele von ihnen sind Immigranten aus Afghanistan oder Pakistan. Religionsfreiheit ist in den USA eines der wichtigsten Grundrechte, Rufe nach einem Bauverbot für Minarette gibt es praktisch keine.

„Das würde auch überhaupt nichts bringen“, glaubt Shamsi Ali, zu dessen Freitagsgebet sich normalerweise mehr als 1500 Gläubige einfinden. Eine Abstimmung wie in der Schweiz schüre „nur unnötigen Hass. So wichtig sind uns die Minarette gar nicht.“ Deshalb sei das Votum der Schweizer „geradezu lächerlich“. Man würde damit bloß ein Exempel statuieren, um die Phobie gegen seine Religion auszudrücken.

Entsprechende Ängste der Bevölkerung vor dem Islam habe es allerdings auch in den USA gegeben, vor allem nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001, räumt Shamsi Ali ein. Damals hatte einer seiner Vorgänger, der Imam Muhammad Gemeaha, zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Nur die Juden seien zu solchen Grausamkeiten fähig, sagte er im Oktober 2001. Eine Woche später war er seinen Job los. Er verließ New York in Richtung Ägypten.

Seitdem arbeitet Shamsi Ali eng mit jüdischen Rabbis zusammen, um religiösen Extremismus zu bekämpfen. Burton Visotzky, einer der mächtigsten Rabbis der Stadt, ist oft Gast in den Moscheen, und Shamsi Ali predigt immer wieder in Synagogen. „Es wäre schön, wenn das gegenseitige Verständnis auch in Europa so ausgeprägt wie hier wäre“, sagt Shamsi Ali. Die enge Zusammenarbeit zwischen jüdischen und muslimischen Predigern wurde mittlerweile auf andere Großstädte wie Chicago und Washington ausgedehnt.

Kritik von radikalen Islamisten

Sein gemäßigter Standpunkt bringt Shamsi Ali nicht nur Lob ein. Die „Islamic Thinkers Society“ bezeichnet den Imam als „verlängerten Arm des FBI“. Selbst Morddrohungen gegen den Muslim sind keine Seltenheit. „Das sind ignorante Menschen, denen eine Ausbildung nicht schaden würde“, sagt der gebürtige Indonesier in nahezu akzentfreiem Englisch.

Eine weitläufige Debatte über eine Abstimmung wie in der Schweiz ist in den USA trotz umfangreicher Berichterstattung bislang nicht ausgebrochen. Lediglich einige Blogger fordern per Internet ein Bauverbot von Minaretten. Dass sie sich durchsetzen, ist praktisch ausgeschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2009)

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