Islamisten in Afrika: Die Saat der Saudis

(c) AP (Pierre Terdjman)
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Armut und Frust über korrupte Eliten bilden einen Nährboden für radikale islamistische Strömungen, die auf dem Schwarzen Kontinent eigentlich kaum Tradition haben. Die al-Qaida ist auf dem Vormarsch.

Weihnachtstag 2009: Der Nigerianer Omar Faruk Abdulmuttallab versucht, mit Plastiksprengstoff ein US-Flugzeug von Amsterdam nach Detroit zum Absturz zu bringen. Trainiert und auf seine tödliche Mission geschickt wurde er vom Terrornetzwerk al-Qaida. 15. Jänner 2010: Zusammenstöße in Kenia zwischen Polizei und Anhängern eines radikalen Predigers, die gegen dessen Abschiebung protestieren. 22. Jänner: Die somalische al-Shabaab-Miliz nimmt eine Kleinstadt ein und droht mit Anschlägen im benachbarten Kenia.

Auch der Schwarze Kontinent hat offenbar sein Islamismus-Problem, auch in Afrika haben radikale Strömungen Aufwind. Schon vor Jahren bekam man in Mali Klagen zu hören: Immer mehr Frauen würden sich verhüllen, Prediger aus dem arabischen Raum eine rigide Islam-Variante verkünden, die im Land gar keine Tradition habe. Die aber trotzdem auf Widerhall stößt.

Einen „afrikanischen Islam“ gibt es zwar nicht, dazu sind die Unterschiede zu groß. Eine Gemeinsamkeit in vielen Ländern südlich der Sahara ist aber die Verbreitung liberaler Sufi-Bruderschaften. „Sie sind offen gegenüber Andersgläubigen und haben lokale Elemente aufgenommen“, erläutert Ute Bocandé von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Dakar, die für den überwiegend muslimischen Senegal keine Gefahr einer Radikalisierung sieht. Unter der muslimischen Oberfläche seien bisweilen auch die Geister der Ahnen präsent, nach dem Motto: Zusätzlicher Beistand kann nicht schaden.

Radikale Ideen vom Golf

„Seit den 70er-Jahren gewannen Reformbewegungen gegen die Sufi-Bruderschaften Rückhalt, sagt Roman Loimeier, Ethnologe an der Uni Göttingen. Zudem habe in den vergangenen 20 Jahren auch die Zahl politisch-militanter Gruppierungen in Afrika zugenommen: „Ihre Mitglieder haben oft eine Ausbildung in Saudiarabien, Kuwait oder Sudan genossen, und arabische Länder versuchen auch, sie zu instrumentalisieren. Den tatsächlichen Rückhalt dieser Gruppen stuft Loimeier gering ein: „Sie schwimmen aber bei populären Themen wie der Aversion gegen die US-Außenpolitik mit“.

Oder bei der Korruption: Der Frust über Eliten, die in die eigene Tasche wirtschaften, macht Menschen für eine Ideologie empfänglich, die mit der Scharia ein ethisches Gegenmodell anpreist. Eine weitere Triebfeder ist die Armut: „In Nigeria entwickeln sich die Städte rapide, die Entwicklung des Wohlstands zieht aber nicht mit. Da gibt es eine Schicht unzufriedener junger Leute“, sagt Ute Bocandé. Wer nichts zu essen und nicht viel zu verlieren habe, wende sich leichter radikalen Ideen zu.

Stichwort Nigeria: Die regelmäßigen Unruhen zwischen Christen und Muslimen – viele Tote der jüngsten Gewaltwelle waren übrigens Muslime – haben nicht nur wirtschaftliche und ethnische Hintergründe. Als einen Konfliktherd macht Experte Loimeier auch die Pfingstkirchen aus, die „in vielen subsaharischen Ländern im Aufwind sind und gegenüber den Muslimen viel aggressiver auftreten als früher.“ Statt friedlicher Koexistenz werde missioniert.

Einfallstor in Ostafrika

Missioniert unter Muslimen wird auch in Ostafrika, nämlich von Wohltätigkeitsorganisationen aus Saudiarabien und anderen Golfstaaten: „Sie sind der stärkste Faktor für die Verbreitung des radikalen Islams in der Region“, sagt Angel Rabasa vom kalifornischen Think Tank Rand Corporation. Bis vor zwei, drei Jahrzehnten sei der rigide wahabitische Islam in Ostafrika unbekannt gewesen, sogar in Somalia. Dort kontrolliert heute die al-Shabaab-Miliz bereits weite Teile des Landes. Rabasa ortet aber „Widerstand in der Bevölkerung gegen ihre extreme Islam-Interpretation.“ Die Exzesse der Radikalen könnten sich für diese kontraproduktiv erweisen, analog zum Irak, meint der Experte.

Ostafrika war zwar schon in den 90er-Jahren Operationsgebiet für al-Qaida, deren erste großen Anschläge waren 1998 die Attacken auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Doch die Verbindung zwischen al-Shabaab und der al-Qaida ist laut Rabasa dafür verantwortlich, dass die Präsenz des Terrornetzwerks in Ostafrika heute stärker ist als damals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2010)

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