Millionenskandal erschüttert die Slowakei

(c) EPA (Samo Kubani)
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Der langjährige slowakische Premier Mikulás Dzurinda ist ins Zwielicht geraten. Die jetzige Regierung wirft seiner Partei vor, bei Privatisierungen fette Provisionen kassiert und ins Ausland verschoben zu haben.

BRATISLAVA. Seine radikalen Wirtschaftsreformen machten ihn zur Legende. Doch jetzt wird der slowakische Expremier Dzurinda durch angebliche Skandale während seiner Regierungszeit eingeholt. Der Verdacht von Korruption und Geldwäsche in riesigem Ausmaß erschüttert die Opposition. Regierungschef Robert Fico triumphiert. Fünf Monate vor der Parlamentswahl am 12. Juni wirft der bisher eisern um die Rückkehr an die Macht kämpfende christdemokratische Oppositionsführer Dzurinda völlig unerwartet das Handtuch: Er werde seine Partei SDKÚ nicht mehr in die Wahl führen, gab Dzurinda am Montagabend bekannt.

Wer nun so kurz vor der Wahl die Führungsrolle in der stärksten Oppositionspartei übernehmen soll, ist noch offen. Manche Kandidaten könnten selbst Dreck am Stecken haben und ebenfalls dem durch die Skandalenthüllungen ausgelösten politischen Beben zum Opfer fallen. „Sie erleben hier einen politischen Selbstmord in Liveübertragung“, höhnte der sozialdemokratische Premier Fico schon vor einer Woche, als Dzurinda und die SDKÚ-Parteiführung in einer Pressekonferenz noch versuchten, die ersten Vorwürfe zu entkräften.

Briefkastenfirmen in London und Dubai

Und tatsächlich servierte Fico seitdem fast täglich neue Enthüllungen, die er offensichtlich seit Langem gesammelt hatte, um sie jetzt zeitgerecht für den beginnenden Wahlkampf veröffentlichen zu können. Wenn Ficos Enthüllungen stimmen, wurden während der acht Jahre Dzurinda-Regierung (19982006) Millionenbeträge unterschlagen und über ein Netz von Briefkastenfirmen in London, Dubai und verschiedenen Steuerparadiesen „reingewaschen“, um dann als Parteienfinanzierung wieder in die Slowakei zurück zu fließen. Dzurindas SDKÚ sei die „gefährlichste Partei für die Bedrohung des politischen Systems der Slowakei“, warnte Fico theatralisch am Dienstag. Es genüge nicht die „leere Geste“, dass Dzurinda am Vorabend selbst angekündigt habe, nicht mehr zur Wahl anzutreten. Denn solange Dzurinda Parteichef bleibe und nicht alle seine Hintermänner entlarvt seien, gebe es keine „Garantie, dass kein schmutziges Geld für den bevorstehenden Wahlkampf verwendet“ werde.

Polizei und Staatsanwalt ermitteln

Ebenfalls am Dienstag nahmen Polizei und Staatsanwaltschaft formelle Ermittlungen auf. Und in den nächsten Tagen soll auf Betreiben der Regierungsparteien auch das Parlament die Causa behandeln. Dzurinda als bisher stärkster Oppositionspolitiker ist damit nicht nur auf einen Schlag „politisch tot“, der ohnehin in allen Umfragen haushoch führende Fico kann auch noch genüsslich dessen ganze Parteistruktur zerfetzen lassen.

Für Fico steht außer Zweifel, was bisher schon Viele vermuteten, aber niemand beweisen konnte oder wollte: Bei den großen Privatisierungen und Auftragsvergaben der Dzurinda-Zeit dürften enorme „Provisionen“ geflossen sein, damit die richtigen Bewerber zum Zug kamen. Dieses Geld, Fico spricht von mehreren Millionen Euro, floss dann laut Verdachts zunächst nach London, die Drehscheibe des Scheinfirmengeflechts, und wurde von dort in andere Länder weiterverteilt, in denen die Eigentümerstruktur von Firmen nicht offengelegt werden muss.

Parteikassier firmiert als Geschäftsführer

Viel konkreter als Enthüllungsjournalisten und Transparency International es bisher schafften, listete Fico in einer Serie von Pressekonferenzen konkrete Firmennamen auf, legte konkrete Verbindungen offen und verwies darauf, dass der gegenwärtige Parteikassier der SDKÚ unvorsichtigerweise sogar persönlich als Geschäftsführer in einzelnen Londoner Briefkastenfirmen figuriert. Bisher hatten die Medien vor allem Dzurindas schon vor fast zehn Jahren über intransparente Privatisierungen gestolperten Ex-Verkehrsminister und Parteikassier Gabriel Palacka als Strippenzieher in London vermutet, aber keine Beweise vorlegen können.

Fico hatte die Wahlen 2006 nicht zuletzt gewonnen, weil er den Vorgängerregierungen Korruption vorwarf. Paradoxerweise war seine Regierung nun von noch mehr Skandalen erschüttert als alle früheren. Nur lasteten das die Wähler immer nur den kleineren Koalitionsparteien an, nicht Ficos sozialdemokratischer Smer.

ZUR PERSON

Mikulá? Dzurinda (geb. 4.2.1955) ist Vorsitzender der Slowakischen Demokratischen und Christlichen Union (SDKÚ). Dzurinda studierte an der Verkehrshochschule in ?ilina, später gehörte er zu den Mitbegründern der Christdemokratischen Bewegung.

Von 1998 bis 2006 war Dzurinda slowakischer Ministerpräsident. Im Juni 2006 verlor seine Partei die vorgezogenen Parlamentswahlen: Die SDKÚ erhielt 18, die konkurrierenden Sozialdemokraten unter Robert Fico 29 Prozent der Stimmen.

Seine Regierungszeit ist wegen der wirtschaftlichen Reformpolitik in Erinnerung.Jetzt wurde bekannt, dass im Zuge der großen Privatisierungen Bestechungsgelder über Postfachfirmen geflossen sein dürften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2010)

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