Darfur: Waffenstillstand nach 300.000 Toten

Darfur: Waffenstillstand nach 300.000 Toten
Darfur: Waffenstillstand nach 300.000 Toten(c) Reuters
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Auch wenn sich die Lage in Darfur dauerhaft beruhigen sollte – ein Ende der Probleme im Sudan würde das nicht bedeuten. Viele Beobachter sehen eine viel größere Bedrohung: ein Wiederaufflammen des Nord-Süd-Konflikts.

Sie hatten einander jahrelang verbissen bekämpft, hatten Reitermilizen und Bewaffnete in Pick-ups losgeschickt, um den jeweils anderen zu vernichten. Doch als Sudans Präsident Omar al-Bashir und JEM-Führer Khalil Ibrahim einander im Blitzlichtgewitter der Fotografen lächelnd die Hände schüttelten, wies nichts mehr darauf hin, dass sie noch vor Kurzem Todfeinde waren. Sudans Führung und die Rebellenchefs der „Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit“, JEM, unterzeichneten nun in Katars Hauptstadt Doha einen Waffenstillstand, der der Unruheregion Darfur endlich Frieden bringen soll.

JEM und andere Gruppen hatten 2003 im westsudanesischen Darfur einen Aufstand gegen die Zentralmacht in Khartum gestartet. Das Regime reagierte mit brutaler Härte. 300.000 Menschen sind laut UN-Angaben ums Leben gekommen, hunderttausende flüchteten. Al-Bashir wurde deshalb vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt, eine Anklage wegen Genozids könnte folgen.

Der Waffenstillstand kommt Bashir sehr entgegen: Im April soll erstmals seit zwei Jahrzehnten im Sudan wieder eine freie Parlamentswahl stattfinden, die Entspannung in Darfur verschafft dem Präsidenten im Vorfeld Luft.

Der Nord-Süd-Konflikt

Er hofft zudem, sein Goodwill in Darfur könnte doch noch zu einer Aussetzung des Haftbefehls führen, den der Strafgerichtshof gegen ihn erlassen hat. Zudem hatte die JEM wiederholt mit einem neuen Angriff auf Khartum gedroht. 2008 hatten es die Rebellen tatsächlich bis in einen Vorort der Hauptstadt geschafft. Damit wäre es nun vorbei. Eine zweite, kleinere Rebellengruppe in Darfur will sich hingegen dem Waffenstillstand nicht anschließen.

Auch wenn sich die Lage in Darfur dauerhaft beruhigen sollte – ein Ende der Probleme im Sudan würde das nicht bedeuten. Viele Beobachter sehen eine viel größere Bedrohung für Frieden und Stabilität in dem gewaltigen Land: ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs zwischen dem Norden und dem Süden. Dieser Krieg hatte insgesamt zwei Jahrzehnte gewütet und zwei Millionen Menschen das Leben gekostet. „Der Konflikt in Darfur war im Empfinden aller schon länger kein Krieg mehr“, meint Brigadier Walter Feichtinger, Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement in Wien zur „Presse“. Entscheidend sei, wie sich die Lage im Süden entwickle.

Es geht vor allem ums Öl

Schon als 2005 das Friedensabkommen zwischen Nord und Süd geschlossen wurde, gab es Unkenrufe, Khartum werde eine Abspaltung des Südens niemals zulassen. Diese Möglichkeit ist der Kern des Abkommens. Für 2011 ist ein Referendum anberaumt – und am Ausgang gibt es keinen Zweifel: Der Süden wird sich abspalten, und mit ihm verlöre Khartum einen beträchtlichen Teil der Öleinkünfte.

Wie groß dieser Teil sein wird, ist offen. Bei der Umsetzung des Vertrages gab es immer wieder Verzögerungen und Stolpersteine, der größte ist der exakte Grenzverlauf. Der entscheidet darüber, wie viel beide Seiten vom Ölreichtum „erben“. Ein Spruch des Internationalen Gerichtshofs hat zwar im Juli 2009 die Grenzen des umstrittenen Distrikts Abyei festgelegt, dessen Bewohner 2011 über die Zugehörigkeit zum Norden oder zum Süden entscheiden. An anderen Stellen ist der Grenzverlauf aber unklar, was den Keim eines neuen Konfliktes birgt.

„Ich schließe den Ausbruch neuer Gewalt nicht aus. Derzeit scheint es aber so, dass beide Seiten starkes Interesse haben, dieses Abkommen umzusetzen“, sagt Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zugleich weist sie auf die beunruhigend hohen Rüstungsausgaben hin: Im Norden fließen 38 Prozent des Budgets ins Militär, im Süden sogar 45: „Wenn die Gewichtung so aussieht, haben die Menschen von einer Friedensdividende wenig gemerkt.“ Besonders im Südsudan versickere zudem viel Geld durch Korruption.

Die humanitäre Situation verschlechtert sich auch wegen der zunehmenden Gewalt im Südsudan: „In den vergangenen acht Monaten hat sich die Situation dramatisch verschlechtert“, sagt Ross Duffy, Einsatzleiter von „Ärzte ohne Grenzen“ im Südsudan. Stammeskonflikte um Vieh habe es hier schon immer gegeben: „Aber immer öfter werden dabei auch Frauen und Kinder getötet.“

Darauf hieß es im Südsudan, Khartum heize diese Konflikte an. Bewiesen ist das nicht. Eines liegt für Weber allerdings auf der Hand: „Der Norden hätte nichts dagegen, wenn dieser Staat scheitern würde.“ Kommentar, Seite 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2010)

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