Skandinaviens Juden fühlen sich nicht mehr sicher

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Zwischen Dänemark und Norwegen steigt die Anzahl antisemitischer Übergriffe. An norwegischen Schulen bekommen jüdische Schüler gelbe Sterne auf den Rücken geklebt und müssen hören, dass "alle Juden erschossen“ gehören.

Malmö/Kopenhagen (gam). Wenn sich Aron auf dem Heimweg von der Synagoge seinem Kopenhagener Wohnviertel nähert, nimmt er die Kippa ab und setzt eine Baseballmütze auf. Den Davidstern, den er um den Hals trägt, lässt er im Hemdkragen verschwinden. Auf Nørrebro, wo die Mehrheit der Bewohner muslimische Zuwanderer sind, muss niemand wissen, dass er Jude ist.

An norwegischen Schulen bekommen jüdische Schüler gelbe Sterne auf den Rücken geklebt und müssen hören, dass „alle Juden erschossen“ gehören, ohne dass die Lehrer eingreifen. Aus Malmö sind im letzten Jahr 30 jüdische Familien ausgewandert, weil ihnen die ständigen Schikanen, denen sie ausgesetzt waren, zu viel wurden. In ganz Skandinavien klagen die jüdischen Gemeinden über zunehmende Übergriffe und dass die Verantwortlichen das Problem ignorieren.

„Wenn jüdische Familien nach Israel auswandern wollen, ist das nicht Malmös Sache“, wiegelte der dortige Bürgermeister Ilmar Reepalu ab. Die Wirklichkeit, die Fredrik Sieradzki kennt, ist anders. „Wir werden angepöbelt, wir werden physisch angegriffen.“ Es gebe keinen Zweifel, wer hinter den Übergriffen stehe: „Personen aus dem Nahen Osten.“ Er klage nicht alle 40.000 Muslime in Malmö an, „nur ein kleiner Teil zeigt offen Judenhass“.

„Gefährliche Nachgiebigkeit“

Im norwegischen Fernsehen berichteten Lehrer und Eltern (aus Angst vor Reaktionen anonym), wie der Holocaust-Unterricht boykottiert werde und Aussagen wie „Die Juden lenken alles“ und „Die Juden standen hinter dem 11. September“ unwidersprochen florieren dürfen. Als ein Schüler klagte, dass er mit dem Umbringen bedroht werde, weil er ein „Judenschwein“ sei, wies ihn der Lehrer mit dem Hinweis ab, dass so etwas allen passieren könne.

„Es sind klar antisemitische Schikanen, die verbal und physisch ausarten“, sagte eine Mutter und warf sowohl den norwegischen Behörden wie dem Einwanderermilieu „gefährliche Nachgiebigkeit“ vor. Unterrichtsministerin Kristin Halvorsen zeigte sich überrascht über das Ausmaß des „inakzeptablen“ Rassismus, weist aber Vorwürfe zurück, dass sie durch scharfe israelkritische Aussagen solche Übergriffe legitimiert habe: „Was man von Israels Politik hält und das Schikanieren von Juden haben nichts miteinander zu tun.“

Muslimische Angriffe

Die 86-jährige Judith Popinski, die Auschwitz überlebt hat, erzählt immer noch an schwedischen Schulen über ihre Erfahrungen. Doch dort, wo muslimische Schüler in der Überzahl sind, ist sie nicht mehr willkommen. „Wenn es früher selten mal antisemitische Zwischenfälle gab, reagierte die gesamte Gesellschaft und zeigte ihren Abscheu. So ist das nicht mehr“, sagt sie. „Wenn Politiker Stimmen fischen, wiegen 40.000 Muslime eben mehr als 700 Juden.“ Ein Treffen von Malmös jüdischer Gemeinde mit Bürgermeister Reepalu hat diesem zu denken gegeben. „Der Hass ist viel stärker, als ich glaubte“, räumte er ein und will, dass sich „alle in Malmö sicher fühlen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2010)

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