Albanien: "Visumfreiheit ist eine Frage der Würde"

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Albaniens Außenminister Meta hofft im Gespräch mit der "Presse", dass seine Landsleute noch 2010 ohne Visum in die EU reisen können: "Denn kein anderes Land in Europa hat in der Vergangenheit so sehr unter Isolation."

„Die Presse“: Visumfreiheit für die EU ist das wichtigste Ziel der albanischen Außenpolitik. Serbien, Montenegro und Mazedonien haben das bereits erreicht, Albanien aber nicht.

Ilir Meta: Wir befinden uns in der Zielgeraden und erwarten, dass unsere Bürger noch in diesem Jahr keine Visa mehr brauchen werden, um in die EU zu reisen. Das ist für uns eine Frage von Würde und Freiheit. Denn kein anderes Land in Europa hat in der Vergangenheit so sehr unter Isolation gelitten wie Albanien.

Zum Schrecken der EU verlangt nun auch die Türkei Visumfreiheit – mit dem Hinweis auf die Balkanstaaten. Fürchten Sie nicht, dass Albanien deshalb warten muss?

Meta: Nein. Die EU-Kommission hat eine klare Strategie, den Balkanstaaten Visumfreiheit zu gewähren, sobald sie gewisse Kriterien erfüllen. Bosnien und Herzegowina und wir sollen die nächsten sein. Wir hoffen, dass die EU auch dem Kosovo einen Fahrplan für Visumfreiheit anbieten wird. Und das ist nicht das Ende unseres Integrationsprozesses. Premier Berisha hat vergangene Woche der EU-Kommission die Antworten auf über 2000 Fragen übergeben, die an Albanien gestellt wurden.

Dabei hat aber Erweiterungskommissar Füle eine Normalisierung der politischen Situation in Albanien gefordert. Wird der Streit mit den oppositionellen Sozialisten ein Hindernis auf dem Weg in die EU?

Meta: Der Boykott der Parlamentsarbeit durch die Sozialisten ist nicht hilfreich. Es ist der absurdeste Boykott, den Albanien je erlebt hat.

Die Sozialisten begründen ihre Aktionen mit Unregelmäßigkeiten bei den letzten Parlamentswahlen.

Meta: Natürlich waren die Wahlen nicht perfekt. Aber alle internationalen Beobachter haben festgestellt, dass es die besten Wahlen waren, die je in Albanien abgehalten worden sind.Wir haben Sozialistenchef Rama angeboten, alle Vorwürfe gemeinsam zu untersuchen, in einer parlamentarischen Untersuchungskommission, in der die Sozialisten den Vorsitz und die Mehrheit der Mitglieder stellen. Doch Rama fordert, alle Stimmen neu auszuzählen. Er will die Lage radikalisieren, um die Glaubwürdigkeit Albaniens und unserer Regierung zu untergraben.

Vor einigen Jahren haben Sie und Premier Berisha einander vorgeworfen, korrupt und Mafiapaten zu sein. Jetzt sitzen Sie zusammen in der Regierung. Wie geht das?

Meta: Nach der Wahl war klar, dass sich eine Linkskoalition zwischen uns und den Sozialisten nicht ausgeht. Es war keine leichte Entscheidung, eine Koalition mit Berisha einzugehen. Aber jetzt, nach acht Monaten, ist klar, dass es die richtige war.

Südosteuropas Staaten kämpfen mit einem diplomatischen Problem: Serbien nimmt nicht an Treffen teil, bei denen auch Kosovo vertreten ist – wie zuletzt in Slowenien.

Meta: Wir erwarten nicht, dass Serbien morgen den Kosovo als unabhängigen Staat anerkennt. Aber Serbien will in die EU. Und deshalb ist es in Serbiens Interesse, sich in den Beziehungen zum Kosovo konstruktiver zu verhalten. Für Südosteuropas Weg in die EU ist die Glaubwürdigkeit der ganzen Region wichtig. Dass Serbien nicht am Gipfel im slowenischen Brdo teilgenommen hat, war negativ für die gesamte Region. Ich hoffe, dass beim nächsten Treffen in Sarajewo jeder an Bord sein wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2010)

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