Marschiert Europa nach rechts?

Marschiert Europa nach rechts
Marschiert Europa nach rechts(c) EPA (TAMAS KOVACS)
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Der britische Parteienforscher Kurt Luther glaubt, dass die Wirtschaftskrise Rechts-außen-Parteien Aufwind verschafft. Die ungarische Partei Jobbik gilt als Sonderfall in der rechten Szene.

In ihren schwarzen Uniformen wecken sie Erinnerungen an dunkle Zeiten, als seien sie direkt aus den 1940er-Jahren ins Ungarn von heute marschiert. Die Männer der Ungarischen Garde sind zum Synonym geworden für ein Erstarken des Rechtsextremismus in Europa. Die Garde – mittlerweile offiziell verboten – ist der paramilitärische Arm der ungarischen Partei Jobbik, die im ersten Durchgang der Parlamentswahlen fast 17 Prozent eingefahren hat.

„Von der Größenordnung her ist Jobbik sicher eine einmalige Partei“, sagt der Politikwissenschaftler Dieter Segert zur „Presse“. Doch auch Parteien wie die „Liga für polnische Familien“ hätten schon eine ähnliche Politik betrieben. Nach 1989 habe man in Osteuropa gehofft, dass der Systemwechsel auch Wohlstand bringt. Die Hoffnung sei Frustration gewichen – darauf könnten Rechtsextremisten und Rechtspopulisten aufbauen. Ein osteuropäisches Spezifikum sieht Segert in solchen Parteien aber nicht.

Marschiert Europa nach rechts? Der britische Parteienforscher Kurt Luther glaubt, dass die Wirtschaftskrise Rechts-außen-Parteien Aufwind verschafft. Deren Erfolg hänge aber noch von anderen Faktoren ab: etwa dem Wahlsystem und den Führungsqualitäten ihrer Parteivorsitzenden, meint Luther zur „Presse“.

Luther versucht zudem eine Grenze zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten zu ziehen. Von einer rechtsextremen Partei spricht er, wenn diese „die liberale Demokratie infrage stellt und Menschen – meist nach rassistischen Kriterien – einen unterschiedlichen Wert zumisst.“


Die British National Party (BNP), die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Jobbik sind für ihn Paradebeispiele rechtsextremer Parteien. Bis vor Kurzem konnte man nur als Weißer der BNP beitreten. Sie erzielte einen Achtungserfolg bei den britischen Regionalwahlen und hat zwei Abgeordnete im EU-Parlament.

Die ungarische Jobbik hetzt gegen Roma und Juden und tritt offen für ein Großungarn ein.

Andreas Mölzer, Europaabgeordneter der FPÖ, hat immer wieder versucht, die rechten Kräfte in der EU zu bündeln. Eine Zusammenarbeit mit Jobbik sei aber „eher schwierig“, meint er zur „Presse“. Grund dafür: „Die Dinge, die man Jobbik nachsagt – Antisemitismus und die Anti-Zigeuner-Haltung.“ Bevor er sich endgültig ein Urteil bildet, will Mölzer aber „selbst überprüfen, was an diesen Vorwürfen dran ist“ und sich nicht auf Berichte „linker und Mainstream-Medien“ verlassen. Jobbiks Wahlerfolg erklärt er so: „Es gibt in vielen europäischen Staaten einen Rechtsruck: als Reflex gegenüber EU-Zentralismus, Massenzuwanderung und Islamisierung.“

2007 wollte Mölzer eine Rechts-außen-Fraktion im EU-Parlament bilden – gemeinsam mit Parteien wie dem französischen Front National und der Roma-feindlichen bulgarischen „Ataka“. Die Fraktion zerfiel aber, weil die Partei „Großrumänien“ nach einem Streit mit Duce-Enkelin Alessandra Mussolini wieder absprang. Mussolini hatte zuvor rumänische Immigranten in Italien beschimpft. Heute arbeite man im EU-Parlament vor allem mit Parteien wie der Lega Nord und dem Vlaams Belang zusammen, so Mölzer.

Lega Nord. Die Bündnispartnerin des italienischen Premiers Silvio Berlusconi hat bei den jüngsten Regionalwahlen einen großen Erfolg eingefahren. Sie ist ein typisches Beispiel für eine rechtspopulistische Partei, wettert gegen Immigranten und Muslime, hat aber keine Berührungspunkte zu faschistischem Gedankengut.

Die „Freiheitspartei“ des Niederländers Geert Wilders hat ebenfalls mit Faschismus nichts am Hut. Auch Wilders bedient sich des Lieblingsfeindbildes der Rechtspopulisten: muslimische Immigranten. Ihm werden bei der Parlamentswahl im Juni massive Stimmenzuwächse prognostiziert.

Für den britischen Politologen Luther gibt es kein einfaches Rezept für den Umgang mit Rechts-außen-Parteien: „Wenn etablierte Parteien etwa das Thema Immigration ignorieren, überlassen sie es den radikalen Rechten. Und wenn sie sich – zu spät – in diese Diskussion einschalten, legitimieren sie die Politik der Rechten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2010)

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