Irans Außenminister: "Kein Interesse an Atomwaffen"

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Der iranische Außenminister, Manuchehr Mottaki, im Gespräch mit der "Presse" über eine mögliche Lösung des Atomstreits, Demokratie im Iran und westliche Propaganda gegen die Islamische Republik.

Der iranische Außenminister, Manuchehr Mottaki, war in Wien, um in Österreich für Irans Position im Atomstreit zu werben. Der Iran wird vom Westen beschuldigt, am Bau einer Atombombe zu forschen. Die USA und die Europäer wollen weitreichende Garantien, damit Teheran unter Beweis stellt, dass es strikt an der friedlichen Nutzung der Kernenergie interessiert ist. Die USA, aber auch einzelne EU-Länder, bereiten im Sicherheitsrat eine neue Runde von Sanktionen vor, die den Iran zum Einlenken bewegen soll.

Ein Kompromissangebot steht im Raum: Der Iran erhält Brennstäbe für einen Forschungsreaktor, der nuklearmedizinische Präparate herstellt, im Gegenzug würde er sein bisher angereichertes Uran aufgeben. Da Österreich derzeit nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat ist, der über Sanktionen entscheidet, ist Teheran an einem Dialog mit Wien interessiert.

„Die Presse“: Herr Minister, es gab Enttäuschung darüber, dass Sie keinen substanziell neuen Vorschlag nach Wien mitgebracht haben, der den Atomstreit entschärfen könnte.

Manuchehr Mottaki: Es gibt sehr wohl einen Vorschlag. Wir brauchen Uran für einen Forschungsreaktor. Auf Initiative des Chefs der Atomenergiebehörde wurde ein Deal ausgearbeitet, der vorsieht, dass unser niedrig angereichertes Uran gegen Brennstoff für unseren Forschungsreaktor ausgetauscht wird.

Wir sind an diesem Deal interessiert, denn dieser Vorschlag ist eine Basis für Kooperation und vermindert die Gefahr einer Konfrontation. Die öffentliche Meinung, die Opposition und bestimmte Parlamentarier haben uns wegen unserer Kompromissbereitschaft kritisiert.

Aber: Wir sind immer noch zu diesem Kompromiss bereit. Ich würde es aber begrüßen, wenn die andere Seite die Propaganda einstellte.

Idee des damaligen IAEA-Chefs, Mohamad ElBaradei, war es, Freiraum für Verhandlungen zu schaffen. Wenn erst einmal das niedrig angereicherte Uran außer Landes wäre, dann gäbe es auch keine theoretische Möglichkeit für den Iran, eine Bombe zu bauen. Damit sollten alle Parteien beruhigt werden.

Mottaki: Wer sind „alle Parteien“? Es ist nicht deren Sache, sich in unsere legitimen Rechte einzumischen. Der richtige Ort, um über derartige Dinge zu sprechen, ist die Atomenergiebeörde IAEA. Es geht einzig und allein darum, wie diese Behörde unsere Aktivitäten beurteilt. Die IAEA überwacht unsere Aktivitäten, inspiziert unsere Anlagen.

Kommt es nun zum Tausch des nuklearen Brennstoffs oder nicht?

Mottaki: Wenn die andere Seite diesen Deal akzeptiert, dann heißt das, dass damit auch die Möglichkeit des Iran, Uran auf 3,5Prozent spaltbares Material anzureichern, anerkannt wird. Die andere Seite erhält die Gewissheit, dass unsere Absichten der Nutzung der Kernenergie strikt friedlich sind.

Der Iran muss glaubhaft machen, dass das Nuklearprogramm zivilen Zwecken dient.

Mottaki: Was sollen wir denn noch tun? Wir haben vor ein paar Jahren der Einstellung aller unserer nuklearen Aktivitäten zugestimmt, wir haben zugestimmt, mit der Atomenergiebehörde vollständig zu kooperieren. Was haben wir als Gegenleistung bekommen? Nichts. Wir haben kein Interesse an Nuklearwaffen. Als der Irak Giftgas gegen unsere Soldaten eingesetzt hat, haben wir da mit Massenvernichtungswaffen reagiert? Nein. Massenvernichtungswaffen sind nicht Teil unserer Verteidigungsdoktrin.

Ein anderes Thema: Ich habe hier eine Liste mit den Namen von über 100 inhaftierten Journalisten und politischen Analysten. Freilassungen und Amnestien wären eine Geste des guten Willens.

Mottaki: Bleiben wir beim NuklearThema.

Auch beim Nuklear-Thema müssen Sie das Vertrauen der Weltgemeinschaft wiedergewinnen. Beweisen Sie, dass Sie keinerlei Interesse am Bau einer Atombombe haben.

Mottaki: Auf welcher völkerrechtlichen Basis sollte das basieren? Was ist mit dem Atomwaffensperrvertrag in den vergangenen 40 Jahren passiert? Ist die Welt heute sicherer als vor 40 Jahren? Nein. Warum? Manche Mächte verletzen die drei wichtigsten Grundsätze dieses Papiers: Wir warten seit Jahren vergeblich auf nukleare Abrüstung. Und was ist mit dem Verbot der Weitergabe von Nuklear-Technologie? Wer hat Israel die Möglichkeit gegeben, über Atomwaffen zu verfügen?

Wäre im Iran die Anreicherung von Demokratie nicht wichtiger als die Anreicherung von Uran?

Mottaki: Der Iran ist in der Region die wichtigste Demokratie. In vielen Nachbarländern gibt es keine Wahlen, kein wirkliches Parlament. In manchen Ländern unserer Region dürfen Frauen nicht hinter dem Steuer sitzen. Aber im Westen spricht man lieber über den Iran. Aber gut: Im vergangenen Sommer haben sich alle sehr rege an den Wahlen beteiligt. Zumindest zwei Gruppen waren nach der Wahl der Meinung, dass sie siegreich waren. Als dann die Ergebnisse veröffentlicht wurden, war die Enttäuschung in einem Lager groß. Hunderttausende sind auf die Straße gegangen. Eine kleine Gruppe war gewalttätig, sie haben Busse, Häuser und Moscheen angezündet, haben Menschen verprügelt. Würde die Regierung in Österreich einen solchen Verstoß gegen die Sicherheit erlauben? Definitiv nicht.

Westliche Propaganda hat die Stimmung angeheizt. Aber der Iran ist stabil, das Land ist ein Eckstein für die Sicherheit in der Region. Und erst diese Stabilität gewährleistet eine sichere Passage von Energie durch den Persischen Golf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2010)

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