Gaza-Aktivisten: "Schicken ein Schiff nach dem anderen"

GazaAktivisten Schiff nach anderen
GazaAktivisten Schiff nach anderen(c) AP (Lefteris Pitarakis)
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Israel stürmt wieder ein Schiff der "Friedensflotte" vor dem Gazastreifen. Die pro-palästinensischen Aktivisten wollen immer neue schicken. Netanyahu will die Seeblockade trotz internationaler Kritik aufrechterhalten.

Unter Protest, aber ohne physischen Widerstand zu leisten, ließen am Samstag elf pro-palästinensische Aktivisten, die sich im östlichen Mittelmeer auf dem irischen Schiff „Rachel Corrie“ befanden, israelische Truppen an Bord. Das Schiff mit dem Namen einer irischen Studentin, die vor sieben Jahren von einem israelischen Bulldozer in Gaza getötet worden war, hatte zuvor unbeirrt von Aufforderungen, abzudrehen, Kurs auf den von Israel abgeriegelten Gazastreifen genommen.

Es gehört zur „Freiheitsflotte“, die die Organisation „Free Gaza“ und andere Gruppen zusammengestellt haben. Am Montag waren bei der Stürmung des türkischen Flaggschiffs der Flotte „Mavi Marmara“ durch israelische Spezialtruppen neun Aktivisten getötet worden; Israel gibt an, die Soldaten hätten in Notwehr geschossen, nachdem sie beim Entern des Schiffes unerwartet heftig angegriffen wurden.


Nach Ashdod eskortiert. Kriegsschiffe eskortierten die „Rachel Corrie“ in den Hafen von Ashdod, wenige Kilometer nördlich von Gaza. Dort gingen Crew und Passagiere an Bord; darunter waren auch Denis Halliday, ein früherer stellvertretender UN-Generalsekretär, und die nordirische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire.

Das Vorgehen der Marine sei indes „keinesfalls friedfertig“ gewesen, kommentierte die Sprecherin der Free-Gaza-Bewegung, Greta Berlin, telefonisch aus Zypern. „Es handelt sich um einen brutalen Akt der Piraterie.“ Israel werde es „noch leid tun“, Verhandlungen abgelehnt zu haben. In Kürze würden vorerst vier weitere Schiffe gen Gaza fahren: „Wir werden ein Schiff nach dem anderen schicken, bis die unmenschliche Blockade gegen die Bevölkerung ein Ende hat.“

Jerusalem in Bedrängnis. Obwohl Israel vorerst das Ziel, die Blockade Gazas aufrecht zu halten, erreicht hat, dürften sich die Todesschüsse von Montag als kontraproduktiv erweisen. Mit den neun toten Aktivisten gerät Jerusalem so sehr in diplomatische Bedrängnis, dass es mit einem Untersuchungsausschuss, der derzeit im In- und Ausland diskutiert wird, allein kaum getan sein wird.

Zweifellos ist eine glaubwürdige Prüfung, warum so viele Zivilisten im Feuer einer erfahrenen Sondereinheit sterben mussten, unabdingbar. Gleichzeitig signalisieren selbst engste Alliierte, vor allem die USA, dass man politische Konsequenzen erwarte.

Embargo vor Ende? Es zeichnet sich ab, dass die Tage des Embargos in dieser Form gezählt sind. Offiziell sperrte Israel Gaza für jeglichen Export von dort und, von humanitären Transporten abgesehen, für den Import, nachdem die Hamas 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hatte. Israels Sicherheitsbedürfnisse machen es sicher nötig, Waffenimporte nach Gaza zu unterbinden, nicht aber auch die Einfuhr etwa von Papier, Druckertinte oder Beton. Dass den Menschen Gazas diese und andere Waren über Jahre verwehrt blieben, ist eine Strafmaßnahme dafür, dass Gilad Schalit, der von Islamisten entführte israelische Soldat, noch immer in Geiselhaft ist.

Freilich hat auch Ägypten seit Sommer 2007, als die Hamas die Truppen der Fatah aus Gaza vertrieb, den Übergang in der geteilten Stadt Rafah weitgehend geschlossen. Die Blockade geht daher auch aufs Konto der Regierung in Kairo. Daher sollte Ägypten in jede Neuregelung einbezogen werden.

Unklar war zunächst, was mit der Ladung der Freiheitsflotte weiter passiert. Die israelische Armee berichtet, 25 Lastwagen mit Gütern des Hilfskonvois nach Gaza geliefert zu haben – ihr Weitertransport sei aber an der Hamas gescheitert.

„Die Hamas lässt die Waren nicht durch, solange Israel nicht alle Gefangenen freilässt“, sagte Munna el Farra, Koordinatorin der Free-Gaza-Bewegung in Gaza. Unklar sei auch, ob Israel den Weitertransport des geladenen Baumaterials genehmigt, da es verbotene Produkte sind. Auch die „Rachel Corrie“ hatte 550 Tonnen Zement geladen, dazu medizinische Geräte und Lehrbücher sowie 20 Tonnen Papier.


„Kein iranischer Hafen“. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte am Samstag, die Seeblockade werde trotz internationaler Kritik aufrechterhalten. Man werde „die Errichtung eines iranischen Hafens im Gazastreifen“ nicht erlauben. Israel wirft dem Iran vor, die Hamas mit Waffen und Geld zu beliefern.

Weltweit gab es auch am Samstag Proteste gegen Israel: So protestierten etwa in London, Paris und Sydney tausende Menschen und verbrannten israelische Fahnen. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay aus Südafrika, forderte Israel auf, die Blockade zu lockern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2010)

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