„Helfe mit, dass Iran zu Kernbrennstoff kommt“

Yukiya Amano, neuer Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien
Yukiya Amano, neuer Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien(c) Gerhard Deutsch (Gerhard Deutsch)
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Yukiya Amano, neuer Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien, über den Dauerbrenner Iran – und wieso die Kernkraft dennoch gut ist.

Die Presse: Haben sich die neuen Iran-Sanktionen der UNO schon auf die Zusammenarbeit zwischen der IAEA und Teheran ausgewirkt?
Yukiya Amano: Gleich vorweg: Resolutionen des Sicherheitsrates haben nichts mit meinem Mandat zu tun, ich bin ja nicht im Sicherheitsrat. Meine Aufgabe ist es in Bezug auf Iran, dessen Safeguard-Abkommen (Kontrolle der Atomanlagen, Anm.) und andere seiner Verpflichtungen umzusetzen. Bis jetzt weiß ich jedenfalls noch von keiner offiziellen Stellungnahme des Iran uns gegenüber. Ich entnehme nur ab und zu den Medien, dass der Iran damit drohe, die Kooperation mit uns im Falle von Sanktionen zu reduzieren. Die Kontrolle der iranischen Atomanlagen geht jedenfalls weiter.

Sie haben vielleicht nichts Offizielles gehört, aber nicht vielleicht doch Signale, dass er die Kontakte reduzieren könnte?
Amano: Ich habe so etwas nur den Nachrichten entnommen, sonst nirgends.

Aber Teheran hat zwei ihrer Inspektoren gerade die Einreise verweigert. Sehen Sie keinen Zusammenhang mit den Sanktionen?
Amano: Ich weiß nicht, der Iran hat so etwas nicht angedeutet. Wir haben im Frühjahr zwei Berichte publiziert, von deren Inhalt der Iran behauptet, er sei in Teilen falsch. (Es ging unter anderem um angeblich aus einem Teheraner Labor verschwundene Ausrüstung zur Herstellung von metallischem Uran, Anm.) Ich vertraue den Berichten unserer Inspektoren, der Iran aber lehnt dieselben Inspektoren nun deswegen ab; einen Hinweis auf die UN-Sanktionen gaben die Iraner nicht, dieser Zusammenhang ist rein spekulativ.

Es gibt noch keine Stellungnahme der IAEA zum jüngst geschlossenen türkisch-brasilianisch-iranische Atomabkommen. . .
Amano: Ich warte derzeit noch auf eine weitere Stellungnahme des Iran, die hoffentlich bald kommen und eine gute Gelegenheit zum Dialog sein wird. Die ganze Sache hat ja eine lange Geschichte. Iran hatte uns im Juni 2009 gebeten, bei der Beschaffung von höher angereichertem Brennstoff für einen Forschungsreaktor zu helfen, sie wollten ihn auf dem Markt kaufen. (Der Reaktor in Teheran erzeugt daraus unter anderem medizinisch nützlich Isotope, etwa zur Krebstherapie, Anm.)
Mein Vorgänger Mohamed ElBaradei aber fand, das ginge nicht, und machte vorigen Oktober seinen bekannten Vorschlag: 1200 Kilo leicht angereichertes Uran aus dem Iran sollten in Russland auf etwa 20 Prozent (Anteil an Uran-235, Anm.) angereichert, in Frankreich weiter zu Brennelementen gemacht und dann zurück in den Iran gebracht werden. Der Deal sah aus, als würde er funktionieren, aber scheiterte an mangelndem Vertrauen: Die Iraner fürchteten einfach, ihr leicht angereichertes Uran würde nie mehr zurückkommen.
Dann aber beschlossen Brasilien, die Türkei und Iran im Mai eine Erklärung ähnlichen Inhaltes, diesfalls sollte das Uran in die Türkei kommen. Ich leitete das diesbezügliche Schreiben Irans an die USA, Russland und Frankreich weiter; die wieder sandten uns am 9. Juni Briefe mit Fragen an den Iran, die wir wieder an Teheran weiter leiteten, und diesbezüglich steht eben noch die Antwort aus.
Meine Rolle bei dem Thema ist insgesamt einfach jene, zu helfen, dass der Iran zu Kernbrennstoff kommt. Ich bin dabei unparteilich und biete meine guten Dienste an.

Müssen iranische Patienten jetzt den ganzen Briefwechsel abwarten, damit es wieder Kernmaterial für ihre Behandlung gibt?

Amano: Also zum einen haben die Iraner noch einen gewissen Vorrat davon. Zweitens könnten sie sie aus ihrem eigenen Uran selbst erzeugen. Drittens könnten sie die Radioisotope importieren.

Unter welchen Umständen könnte es bei diesem Thema noch einen Deal geben?
Amano: Wir müssen hier noch die Antwort des Iran auf die Einwände und die Positionen aller anderen Beteiligten abwarten. Ein Handel ist möglich, aber vermutlich nicht mehr nach dem Modell vom vorigen Oktober.

Ihr Vorgänger ElBaradei sagte in einem Interview, er sehe keine unmittelbare nukleare Bedrohung durch Iran, Sie aber sprachen jüngst von einer „militärischen Dimension“ von Irans Atomprogramm. Wie bringen wir das zusammen? Und: Als Sie ihr Amt als IAEA-Chef im Dezember antraten, wollten Sie „keine Beweise“ für ein militärisches Atomprogramm gesehen haben, jetzt sprachen Sie von „möglichen gegenwärtigen militärischen Aktivitäten“. Woher dieser Meinungswechsel?
Amano: Das Ganze finde ich etwas unglücklich. Ich kann mich nicht erinnern, dass ElBaradei je gesagt habe, Iran habe ein Atomwaffenprogramm, ich habe so etwas auch nie in einem offiziellen IAEA-Papier gesehen. Meine Ansicht dazu hat sich auch nicht geändert, ich habe nie gesagt, dass Iran eine Bedrohung ist oder ein solches Programm hat. Was ich in den Berichten schrieb, ist, dass der Iran seinem Safeguard-Abkommen und anderen Pflichten nicht völlig nachkommt – und dass es einige Aktivitäten gibt, die militärische Qualitäten haben könnten, was wir gerne klären möchten. Also es gibt Besorgnisse, aber dazu kein klares Wissen.

Also Sie wandeln immer noch in diesem Reich der Möglichkeiten herum, aber das scheint genug für Sie zu sein, um den Iran einen „special case“ zu nennen. . .
Amano: „Special case“ bedeutet nicht, dass Iran ein Atomwaffenprogramm hat. Iran ist aus diversen Gründen „speziell“. Zum einen, weil es mit ihm zwar das Safeguard-Abkommen gibt, aber nicht das Zusatzprotokoll (es erleichtert Inspektionen von Atomanlagen enorm, Anm.). Dann steht das Land unter UN-Sanktionen. Es setzt bestimmte andere Verpflichtungen nicht um. Und dann ist eben der Verdacht militärischer Implikationen. Alles das unterscheidet Iran von Japan, Brasilien oder Österreich, darum der special case. Im Übrigen: Von den Verdachtsmomenten war schon in früheren IAEA-Berichten die Rede.

Es gibt Gerüchte, auch Burma betreibe ein Atomwaffenprogramm. Was wissen Sie dazu?
Amano: Wir analysieren die Berichte noch, haben aber noch keine Schlussfolgerungen. Wir brauchen noch Zeit. Im Falle Iran haben wir auch Jahre gebraucht. Es könnte auch sein, dass wir jemanden dorthin schicken.

Die Generalkonferenz der IAEA hat Israel vorigen Herbst aufgefordert, dem Atomteststoppvertrag (NPT) beizutreten und Sie beauftragt, darauf hinzuwirken sowie bis September einen Bericht über das Thema Israel und dessen Atomprogramm vorzulegen. Wie sieht das nun aus?
Amano: Derzeit erheben wir die Meinungen von an dem Thema interessierten Regierungen, es gibt schon weit mehr als 20 Rückmeldungen.

Wird Israel durch diesen Bericht auch als „special case“ dastehen wir der Iran?
Amano: Das ist etwas völlig anderes. Israel ist schon einmal nicht Partei des NPT, so wie auch Indien und Pakistan. Früher waren Dutzende Länder außerhalb des NPT, etwa auch die Atommächte Frankreich und China. Es gab früher Sonderfälle und heute auch.


Die IAEA ist in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit präsent wie nie zuvor. Was für einen Einfluss hat das auf deren Arbeit? Manche Leute sagen, die IAEA solle in Ruhe und abseits des Rampenlichts, gerade des Politischen, arbeiten. . .
Amano: Die IAEA hat viele Ziele: die Verbreitung von Kernwaffen verhindern, die Nutzung von Atomkraft für friedliche Zwecke fördern – und Letzteres möchte ich betonen, denn die IAEA wird meist nur als „nuklearer Wachhund“ dargestellt, was zu kurz greift. Wir helfen etwa Krebspatienten weltweit, und derzeit auch bei der Fußball-WM in Südafrika, wo wir für nukleare Sicherheit sorgen (mit Kontrollen gegen strahlende Substanzen, Anm.).

Sie bzw. die IAEA fördern den Bau von Atomkraftwerken, derzeit etwa in Ägypten. Wie ist es, als IAEA-Chef in Österreich zu leben, wo man Kernkraft und Kerntechnik – „das Atom“ – fast für etwas Teuflisches hält? In Österreich müssen Sie fast als eine Art Satan erscheinen, nicht?
Amano: (Lacht). Ich weiß nicht, ob die Leute hier Atomkraft für den Teufel halten, aber die Entscheidung für oder gegen AKW ist das souveräne Recht jedes Volkes. Und derzeit gibt es wiederum etwa 60 Länder, die am Neubau von AKW aus guten Gründen sehr interessiert sind, weil sie glauben, es würde ihre Energiebedürfnisse befriedigen oder mit gegen den Klimawandel helfen – und so ist es unsere Aufgabe, ihnen zu helfen, dass die Atom-Nutzung professionell, sicher und effektiv ist.

Ist die Technik heute sicher genug, dass man Atomkraftwerken auch in Ländern wie Ägypten oder Vietnam trauen kann?
Amano: Seit Tschernobyl 1986 haben Technik und Sicherheit massiv zugelegt. Seither ist die Sicherheitsbilanz sauber. Natürlich ist nichts perfekt. Und sicher, es gibt auch noch das Abfallproblem, aber jede Technologie hat ihre Risken. Das sehen Sie derzeit gut im Golf von Mexiko.

("Die Presse" Printausgabe vom 26. Juni 2010)

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