60 junge Menschen aus 25 Nationen treffen einander ab Sonntag im Alten AKH in Wien, um dort bei der ersten Muslim Jewish Conference über den Abbau von Vorurteilen zu diskutieren.
Die unterschiedliche Aussprache unserer Namen ist kein Hindernis für eine Freundschaft“, sagt Ilja Sichrovsky. Und auch nicht, dass er selbst Jude ist – und Asad Farooq, der ihm gegenüber sitzt, Moslem. Im Gegenteil. Seit die beiden einander im Rahmen der Harvard World Model United Nations Conference kennengelernt haben, sprechen sie oft über ihre Herkunft, ihren religiösen Background – und über Politik. Und das friedlich.
„Man kann doch auch als Jude mit Moslems über Politik reden. Das ist so bereichernd“, meint Sichrovsky. „Und es gibt keine bösen Gefühle, selbst wenn wir am Ende unterschiedlicher Meinung sind.“ Eine Idee, die der 27-jährige Student aus Wien auf eine höhere Ebene bringen wollte – darum organisierte er gemeinsam mit einigen Mitstreitern, darunter auch Farooq, die erste Muslim Jewish Conference. Heute, Sonntag, startet die Veranstaltung im Alten AKH in Wien, an der 60Studierende aus 25Ländern teilnehmen– die eine Hälfte Juden, die andere Muslime, von streng religiös bis säkular. Bis Freitag sollen die Teilnehmer gemeinsam diskutieren und den Vorträgen von Gastrednern zuhören.
Ehrenschutz durch Heinz Fischer. Zu ihnen zählt etwa der ehemalige Genfer Oberrabbiner Marc Raphaël Guedj, dessen interreligiöse Vereinigung Racines et Sources (Wurzeln und Quellen) die Zusammenarbeit von Imamen und Rabbinern fördert. Ein weiterer Redner ist der Anthropologe und Buchautor Faouzi Skali, der im marokkanischen Fès das Festival der religiösen Musik initiierte. Den Ehrenschutz übernehmen unter anderem Bundespräsident Heinz Fischer, Wiens Bürgermeister Michael Häupl, Journalistin Susanne Scholl und Kabarettist Josef Hader.
Die Gastredner sollen Erfahrungen und Impulse weitergeben, die die Diskussion der Teilnehmer anregen sollen. „Es geht darum, gemeinsam Vorurteile zu zerstören – einfach schon dadurch, dass man etwas gemeinsam macht“, sagt Sichrovsky. Vorurteile, die man fast schon zwangsläufig habe. Damals bei der United Nations Model Conference habe er zum ersten Mal bewusst Kontakt mit Pakistanis gehabt. Und dabei sei man draufgekommen, dass man eigentlich gar nichts über einander weiß – außer das, was man in fünfminütigen Beiträgen im Fernsehen über Pakistan so gehört habe. Meist mit der Tendenz, dass Pakistanis in etwa den Bösewichten aus Hollywoodfilmen entsprechen.
Miteinander, nicht übereinander. Auf der anderen Seite sieht es aber auch nicht viel besser aus: „Ich hatte in Pakistan noch nie Kontakt mit Juden“, erzählt Farooq. Erst durch den Kontakt mit Sichrovsky und anderen Kollegen habe er überhaupt erfahren, was koscher bedeutet. „Wir brauchen die direkte Konfrontation, um miteinander zu reden und nicht nur übereinander“, sagt der 23-Jährige, der vor seiner Reise zur Konferenz nach Wien noch nie außerhalb Pakistans gewesen ist.
Miteinander reden steht auch im Mittelpunkt der Konferenz – der Wille dazu war auch Bedingung bei der Auswahl der Teilnehmer. Eines der drei Hauptthemen ist der Bereich Antisemitismus und Islamophobie. „Wir wollen die Begriffe nicht gleichstellen, aber es gibt hier doch einige Ähnlichkeiten“, meint Sichrovsky. Der zweite große Punkt ist die Frage, wie man mithilfe der Bildung gegen Vorurteile vorgehen kann. Als dritter großer Punkt soll die Rolle der Medien beim Abbau von gegenseitigen Stereotypen behandelt werden. „Das sind drei Topics, auf die sich alle einigen können“, meint der Organisator.
Ein wichtiges Thema im Verhältnis zwischen Juden und Muslimen bleibt allerdings ausgeklammert – der Nahost-Konflikt steht zumindest offiziell nicht auf der Tagesordnung der Konferenz. Mit Absicht. Schließlich sei das ein besonders sensibles Thema, bei dem man erst einmal eine „gemeinsame Sprache“ finden müsse. Aus diesem Grund hat man auch keine offiziellen Repräsentanten der Glaubensgemeinschaften eingeladen. Zwar sind einige der Teilnehmer in der Israelitischen Kultusgemeinde oder der Muslimischen Jugend organisiert – sie treten aber nicht als Sprecher für diese Organisationen auf.
Aber auch, wenn es zu Debatten kommt, rechnen die Veranstalter mit keinen Schwierigkeiten. „Die Faszination über den Blick des anderen ist größer als das Streitpotenzial“, glaubt Sichrovsky. „Und es ist eher das Unwissen“, ergänzt Farooq, „das negative Gefühle schafft.“ Dementsprechend freut man sich, dass jüdische und muslimische Vertreter aus so vielen verschiedenen Ländern an der Konferenz teilnehmen – auch, wenn es ein paar Wermutstropfen gibt. So musste man etwa 15Interessenten absagen, weil es für sie keine Chance auf ein österreichisches Visum gab – trotz Schützenhilfe aus dem Außenministerium und vom Bundespräsidenten. Teilnehmer etwa aus dem Iran oder Nigeria sind dieses Mal nicht dabei.
Fortsetzung soll folgen. Aber nur weil es diesmal nicht geklappt hat, muss es beim nächsten Mal nicht wieder schiefgehen. Und dieses nächste Mal soll es geben. Künftig soll die Muslim Jewish Conference jedes Jahr stattfinden; in gemeinsamen Veranstaltungen, Debatten und Schlussdeklarationen soll das weitergegeben werden, was auf der persönlichen Ebene schon funktioniert: dass Juden und Muslime respektvoll miteinander umgehen – und sogar Freunde sein können.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2010)