Anfang vom Ende des Irak-Einsatzes?

Analyse. Der Wechsel an der Spitze des Pentagon ist ein verzweifelter Versuch von US-Präsident Bush, sich aus dem Irak-Sumpf zu befreien. Die demokratische Mehrheit im Kongress macht Druck, das Abenteuer rasch zu beenden.

WASHINGTON. Er ist bekannt für seine Aphorismen, und in den sechs Jahren als Verteidigungsminister hat es Donald Rumsfeld auf eine ordentliche Sammlung gebracht. "Ich würde nicht sagen", meinte er einmal, "dass die Zukunft weniger vorhersagbar ist als die Vergangenheit. Die Vergangenheit war nicht vorhersagbar, als sie begann." Zu Osama bin Laden versicherte er der US-Bevölkerung, dass "wir wissen, wo er ist: Entweder in Afghanistan, in einem anderen Land oder tot." Für den Irak lautete seine Weisheit: "Es ist leichter, in etwas hineinzugeraten, als wieder rauszukommen."

Vor allem dann nicht, wenn man sich keine Exit-Strategie überlegt hat. Das Irak-Debakel ist allein die Verantwortung des scheidenden Verteidigungsministers, der mit viel zu wenigen Soldaten in den Krieg ging: 150.000, während seine Militärs 400.000 Mann verlangt hatten. Zudem gab es für die Zeit nach dem Sturz Saddam Husseins keine Planungen. Das Pentagon hatte erwartet, als Befreier gefeiert zu werden und keinen Gedanken daran verschwendet, was denn beispielsweise die Mitglieder der aufgelösten irakischen Armee machen werden. Bei solchen Fehlern ist es tatsächlich schwer, wieder aus dem Chaos herauszukommen.

Der Wechsel an der Spitze des Pentagon ist der verzweifelte Versuch von US-Präsident George W. Bush, einen Ausweg aus dem Irak-Krieg zu finden. Dass er gerade Robert Gates als Nachfolger Rumsfelds ausgesucht hat, wird in Washington als vielsagender Schritt gewertet: Gates ist Mitglied jener "Arbeitsgruppe Irak" unter Ex-Außenminister James Baker, die seit Monaten an Lösungsvorschlägen arbeitet, wie die USA aus dem Desaster herauskommen. "Dieser Wechsel sagt mir, dass wir einen stufenweisen Abzug aus dem Irak erleben werden", meinte Lawrence Korb, unter Ronald Reagan Staatssekretär im Pentagon.

Dazu kommt die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat. Der Kongress bestimmt, was im Irak passiert und wohin die Demokraten tendieren, machte die neue Sprecherin des Hauses, Nancy Pelosi, bereits in etlichen Interviews klar: "Unser Einsatz bringt der Region keine Stabilität und macht auch Amerika nicht sicherer." In der Vergangenheit hatte es Pelosi deutlicher ausgedrückt: "Wir müssen unsere Soldaten nach Hause bringen." Als Zeitpunkt für den Beginn eines schrittweisen Abzugs hatte sie Ende 2007 genannt.

Spekuliert wird in Washington damit, dass die USA mit einem langsamen Abzug der Truppen den Druck auf Iraks Führung erhöhen wollen. Denn das größte Problem in dem Land ist mittlerweile die Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten. Man müsse Bagdad dazu zwingen, stärker als bisher auf die beiden Bevölkerungsgruppen einzuwirken. Notwendig wäre dafür nach Meinung vieler, Premier Nuri al-Maliki zu ersetzen, der als zu schwach gilt.

Diskutiert wird auch eine Dreiteilung des Landes in einen schiitischen, einen sunnitischen und einen kurdischen Teil. Das soll einer der Vorschläge der "Arbeitsgruppe Irak" unter Baker sein.

Noch wird der Bericht des Ex-Außenministers geheim gehalten, erst in einigen Tagen oder Wochen werde man vor die Öffentlichkeit treten und das Ergebnis vorstellen, heißt es. Die Arbeitsgruppe war vom Kongress eingesetzt worden und besteht aus republikanischen und demokratischen Politikern. Durchgesickert ist, dass die Baker-Gruppe mit einer nüchternen Analyse alles Schönreden des Weißen Hauses vernichten wird:

Das Ziel der USA, eine stabile Demokratie im Irak zu etablieren und das Land als Verbündeten zu halten, sei nicht mehr zu erreichen. Um die Situation im Irak zu beruhigen, müsse Washington die Hilfe von Syrien und Iran suchen und diese Länder einbinden.

Das wäre der radikalste Kurswechsel in der Bush-Ära, da Washington bisher stets direkte Gespräche mit beiden Staaten ablehnte.

Wie eine Irak-Lösung aussehen könnte, wird man spätestens bei Gates' Anhörung ahnen können. Der designierte Verteidigungsminister muss vom Senat bestätigt werden, dafür wird er besser einige Ideen bereit haben. "Wir wollen hören, wie er uns aus dem Desaster herausführen wird", so Harry Reid, Demokratenführer im Senat. "Sonst hätten wir Rumsfeld behalten können." Kommentar, S. 39

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