Sarrazin empört mit Theorie über "eigenes Juden-Gen"

Sarrazin empoert Theorie ueber
Sarrazin empoert Theorie ueber(c) AP (Franka Bruns)
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"Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden", so Sarrazin. Nun gerät er weiter unter Druck, der Zentralrat der Juden in Deutschland warf ihm Rassismus vor.

BERLIn. Erst am Montag stellt Thilo Sarrazin in Berlin sein umstrittenes Buch „Deutschland schafft sich ab“ vor. Aber schon zuvor hat der 65-Jährige maximale Aufmerksamkeit erzeugt: In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ antwortete der Bundesbankvorsitzende am Wochenende auf die Frage, ob es eine genetische Identität gebe: „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden.“

Der Zentralrat der Juden in Deutschland warf Sarrazin daraufhin Rassismus vor. „Sarrazin hat endgültig eine rote Linie überschritten“, sagte der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann. Sarrazin stütze sich auf Rassentheorien der Nazis.

Der Bundesbankvorsitzende spricht auch vom „Genpool“ der europäischen Bevölkerung, der sich bis zur massenhaften Zuwanderung von Muslims kaum verändert habe. „Die kulturelle Eigenart der Völker ist keine Legende, sondern bestimmt die Wirklichkeit Europas.“ Sarrazin gab im Vorfeld seiner Buchpräsentation eine Serie von Interviews, die für eine Welle der Empörung sorgten.

Aufschrei bei Politikern

Seine Kernthesen: Die deutsche Gesellschaft schrumpft und verdummt, weil bildungsferne Deutsche und muslimische Migranten mehr Kinder bekommen. Muslime würden sich überall in Europa schlechter integrieren als andere Einwanderer. Die Gründe dafür sieht er in der Kultur des Islam.

Mit seinen Äußerungen bringt er auch immer mehr Regierungspolitiker in Rage. Nach einem Rüffel von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen ihn am Wochenende Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ins Visier. „Wortmeldungen, die Rassismus oder Antisemitismus Vorschub leisten, haben in der politischen Diskussion nichts zu suchen“, so Westerwelle. Jede Provokation habe ihre Grenzen, sagte zu Guttenberg. „Diese Grenze hat der Bundesbankvorstand Sarrazin mit seiner ebenso missverständlichen wie unpassenden Äußerung eindeutig überschritten.“

Hessens scheidender Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nannte Sarrazins Aussagen unerträglich. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erwartet Anzeigen wegen Volksverhetzung. In der SPD, wo Sarrazin als Brandstifter gilt, werden die Rufe nach Rauswurf des früheren Berliner Finanzsenators lauter. Berlins SPD-Landeschef Michael Müller fordert ihn zum Austritt auf, die Partei erwägt ein erneutes Ausschlussverfahren.

Aber Sarrazin hat nicht nur Gegner: Die türkischstämmige Soziologin und Frauenrechtlerin Necla Kelek, die Sarrazins Buch heute präsentieren wird, nahm ihn in Schutz: Sarrazin leiste einen wichtigen Beitrag, weil er Muslime auffordere, über ihre Rolle in Deutschland nachzudenken.
Kommentar Seite23

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2010)

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