Russland: Macho Putin auf Wahlkampftour

Russland Putin Wahlkampftour
Russland Putin Wahlkampftour(c) EPA (ALEXEY DRUZHINYN)
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Wladimir Putin will offenbar auch nach 2012 politisch weiterhin im Spiel bleiben. Seine Inszenierungen nehmen sich wie Wahlveranstaltungen aus. Im Volk kann Putin bislang auf anhaltend hohe Sympathiewerte bauen.

Moskau. Nun beginnt Wladimir Putin sogar schon in den USA mit seinen Macho-Inszenierungen zu punkten. Wenn man die Auftritte des russischen Premiers mit denen des US-Präsidenten Barack Obama vergleiche, so habe Ersterer die Nase vorn, meinte die „Chicago Tribune“ dieser Tage. Eben erst fuhr Putin bei einem Bikertreffen in schwarzer Kluft auf einer Harley vor, schon löschte er mit einem Löschflugzeug zwei Brände. Vorige Woche harpunierte er mit der Armbrust einen Wal. Und nun braust er am Steuer eines russischen Lada Kalina Sport auf der neuen Autobahn durch Russlands Fernen Osten.

„No problem“ lautet offenbar die Botschaft ans eigene Volk, cool bleiben. Möglichst kein Wort mehr über die Brände, die Russland Dutzende, wenn nicht gar hunderte Milliarden Dollar an Schaden bereitet haben. „Natürlich, die Krise hat uns ein klein wenig aufgehalten“, sagte er am Montag gegenüber seinem Lieblingsjournalisten Andrej Kolesnikov von der Zeitung „Kommersant“, den er 180 Kilometer lang auf dem russischen Highway für ein ausführliches Interview mitgenommen hatte: „Insgesamt entwickelt sich das Land stabil, ich sehe keine großen Probleme“.

Eineinhalb Jahre vor den Präsidentenwahlen 2012 nehmen sich Putins Inszenierungen wie Wahlveranstaltungen aus. Und in der Tat heizte Putin im Autobahninterview die Spekulationen darüber an, dass er 2012 auf eine dritte Amtszeit als Präsident in den Kreml zurückkehren könnte. „Ich habe nur zwei Möglichkeiten“, sagte er: „Entweder beobachte ich vom Ufer aus, wie das Wasser fließt und etwas zerstört wird, oder ich mische mich ein. Und ich bevorzuge es, mich einzuschalten.“

2008 hatte der Ex-KGB-Offizier nach seiner zweiten Amtszeit das Präsidentenamt an seinen offenbar liberaleren Wegbegleiter Dmitrij Medwedjew übergeben, um mit ihm im Machttandem zu regieren. Zuletzt jedoch häuften sich Mutmaßungen über einen Machtkampf zwischen beiden.

Im Volk freilich kann Putin bislang auf anhaltend hohe Sympathiewerte bauen. Und selbst die Wald- und Torfbrände konnten seiner Beliebtheit wenig anhaben, wie Valeri Fjodorow, Chef des Meinungsforschungsinstituts VCIOM, festhält.

„Wo ist also dieser Reset?“

Dementsprechend überzeugt gibt sich Putin im Interview daher auch von der restaurativen Politik über zehn Jahre. Und entsprechend zynisch, schiebt er oppositionellen Kräften doch die Schuld am zuletzt immer rüderen Vorgehen der Sicherheitskräfte in die Schuhe. Wer an einer nicht genehmigten Kundgebung teilnehme, müsse damit rechnen, „den Knüppel auf die Rübe zu bekommen“, sagte er.

Im Fall des auf acht Jahre inhaftierten Ex-Ölmanagers Michail Chodorkowskij wies Putin Vorwürfe zurück, er beeinflusse die Verfolgung des Kreml-Kritikers. „Er verbüßt die Strafe, die er verdient“, sagte er. Von dem laufenden zweiten Prozess gegen Chodorkowskij habe er lange nichts gewusst. Chodorkowskij drohen 22 weitere Jahre Haft.

Indessen droht Putins Aussagen zufolge der Neubeginn – „Reset“ – in den Beziehungen zwischen Moskau und Washington zu scheitern. Er selbst wolle an ihn glauben, und auch Obama sei wohl ehrlich darum bemüht. Aber gleichzeitig werde Russlands letzter Kriegsgegner Georgien wieder aufgerüstet, und was den von Russland abgelehnten US-Raketenabwehrschild in Europa betrifft, so seien weiterhin Stationierungen geplant, sagte Putin: „Wo ist also dieser Reset?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2010)

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