Land der mutigen Sozialdemokraten

(c) AP (Lilli Strauss)
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Von wegen Sozialdemokraten können nicht mit Geld umgehen - das linke Schweden beweist das Gegenteil und kann als Vorzeigeland schlechthin geführt werden.

In Schweden ist einfach alles besser. Sogar die Sozialdemokraten. Sie haben in den frühen 1990er-Jahren gleich mit mehreren Klischees aufgeräumt. Vor allem einmal mit jenem, dass Sozialdemokraten grundsätzlich nicht mit Geld umgehen können und den Roten zur Sanierung angeschlagener Haushalte außer höheren Steuern und Staatsausgaben nur noch höhere Steuern und Staatsausgaben einfallen.

Das linke Schweden hat es geschafft, in neoliberal angehauchten Sanierungshandbüchern als so etwas wie das Vorzeigeland schlechthin geführt zu werden. Zu verdanken haben sie das einer herben Wirtschaftskrise und einem entschlossenen Mann namens Göran Persson: Der langjährige schwedische Finanzminister und Premier hat den abgewirtschafteten Wohlfahrtsstaat zu Beginn der 1990er-Jahre vor dem Untergang bewahrt. Aus einem Budgetdefizit von zwölf Prozent des BIPs wurde in nur fünf Jahren ein Überschuss, die Verschuldung innerhalb eines Jahrzehnts beinahe halbiert.

Wie so etwas geht? „Zuerst arbeitet man ein Programm aus, gegen das alle sind, weil es alle gleichmäßig schlechter stellt“, so Persson. Das dürfte für den rundlichen Mann aus der südschwedischen Provinz die einfachste Übung gewesen sein: Er kürzte die Staatsausgaben quer über alle Ressorts kurzerhand um elf Prozent. Im zweiten Schritt wurden öffentliche Investitionen zurückgefahren, danach Sozialtransfers gekappt und schließlich die Steuern vorübergehend erhöht. Nicht für die Unternehmen, sondern für die Arbeitnehmer. Als die Sanierung geschafft war, wurden die über höhere Steuern eingesammelten Gelder zurückgezahlt. Krone für Krone. Auf diese Art und Weise wurde der Staatshaushalt zu 85 Prozent ausgabenseitig saniert. Heute ist Schweden mit 42 Prozent seines jährlichen BIPs verschuldet. Österreich mit 70 Prozent.

Die Bevölkerung machte die Rosskur mit, womit Schweden ein drittes Vorurteil zertrümmert hat: Jenes, wonach mit harten Reformen keine Wahlen zu gewinnen wären. Persson wurde zweimal in seinem Amt bestätigt (1998 und 2002). Hohe Selbstbehalte für den Arztbesuch und saftige Abschlägen für Frühpensionisten wurden auch in Zeiten hoher Überschüsse nicht gestrichen. Das sei den Menschen zumutbar: „Wenn es über 50 Jahre bergauf geht, bieten sich genug Möglichkeiten, die Ausgaben ohne große Schmerzen zu reduzieren“, so Persson im Februar 2010 gegenüber dieser Zeitung. Trauen muss man sich allerdings trotzdem.

(Schell - "Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2010)

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