Russland: Militär als Motor der Modernisierung

Russland Militaer Motor Modernisierung
Russland Militaer Motor Modernisierung(c) REUTERS (RIA NOVOSTI)
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Im Budgetentwurf für die nächsten drei Jahre sind vor allem die Ausgaben für die Streitkräfte in die Höhe geschnellt. Experten warnen vor chronischen Budgetdefiziten.

Moskau. Es war bereits der Trend des vergangenen Jahrzehnts. Und obwohl Russland nun von einem neuen Kurs spricht, setzt er sich auch in den kommenden Jahren fort: Für Sicherheit und Verteidigung stellt die russische Regierung immer mehr Geld zur Verfügung. Dies geht aus dem neuen Entwurf für das russische Budget der Jahre 2011 bis 2013 hervor.

Um 19,1 Prozent auf 1,52 Billionen Rubel (etwa 37 Milliarden Euro) steigen die Militärausgaben im kommenden Jahr. Der Militärsektor macht somit ein Siebentel der Haushaltsausgaben aus, im Jahr 2013 beträgt der Anteil bereits mehr als ein Sechstel. Und wie Vizepremier Sergej Iwanow am Mittwoch bekannt gegeben hat, werde Russland bis 2020 „die beispiellose Summe“ von 22 Billionen Rubel (535 Milliarden Euro) für Verteidigungszwecke bereitstellen.

Nach Auffassung des Kremls soll die Verteidigungsindustrie freilich künftig der Modernisierung der Wirtschaft dienen – und zwar als Konzipient, aber auch als Kunde innovativer Technik, betont Staatspräsident Dmitrij Medwedjew. Russland nimmt sich ein Beispiel an der amerikanischen Forschungsinstitution Darpa: Die „Defense Advanced Research Projects Agency“ ist eine Behörde des Pentagon, die Forschungsprojekte für die US-Streitkräfte durchführt, unter anderem Weltraumforschungen. Technische Entwicklungen im Rahmen dieser Projekte finden später auch Eingang in den zivilen Sektor.

Ein Drittel für Soziales

Noch mehr Ausgaben als für die Sicherheit sind in den russischen Budgetplanungen nur für soziale Zwecke vorgesehen. Knapp ein Drittel des Budgets ist auch in den kommenden Jahren für den Sozialbereich vorgesehen. Zwar sinken die Sozialausgaben 2011 real wegen geringerer Dotationen in den Pensionsfonds um 11,7 Prozent. In den beiden Jahren darauf aber steigen sie jeweils um die acht Prozent an.

Russland steht vor Parlamentswahlen Ende 2011 und Präsidentenwahlen 2012. Um etwaigen Protesten zuvorzukommen, hat das Finanzministerium auch millliardenschwere Polster an noch nicht definierten Ausgaben im Budget einkalkuliert.

„Ein Fiskus der staatlichen Sicherheitsorgane“, titelte die Zeitung „Wedomosti“. Und die renommierte Internetzeitung „Gazeta.ru“ konstatierte: „Die Modernisierung wurde für drei Jahre aufgeschoben.“ Schon zuvor hatte der Rektor der Moskauer Wirtschaftshochschule, Jaroslaw Kuzminow, angemerkt, dass das Machtmonopol dazu missbraucht werde, in die Vergangenheit (Pensionen, Armee) zu investieren, statt auf Bildung und Innovation zu setzen.

Ökonomen stoßen sich indes vor allem daran, dass die Regierung nach dem seit zehn Jahren ersten Budgetdefizit 2010 den Ausgabenüberschuss auch für die kommenden Jahre festschreibt. Bei Budgetausgaben von 10,66 Billionen Rubel beträgt 2010 das Defizit 1,8 Billionen Rubel. „Für ein Land, das derart stark vom Öl abhängt, ist das ein großes Risiko“, meint Alexej Moisejev, Makroökonom der Bank „VTB Capital“.

Die Regierung geht davon aus, dass die russische Wirtschaft, die im vorigen Jahr um 7,9 Prozent schrumpfte und 2010 um etwa vier Prozent wachsen dürfte, in den nächsten Jahren an Tempo zulegt. Und zwar aufgrund einer besseren globalen Konjunktur, was höhere Ölpreise für Russland bedeutet.

Aufgrund der geringen Auslandsschulden freilich könne es sich Russland leisten, die Wirtschaft mit gesteigerten Ausgaben zu stimulieren, erklärt Julia Zepljajewa von der Bank BNP Paribas.

Zweite Privatisierungswelle

Russland setzt auf Effizienz: Demnach werden die Ausgaben ab dem kommenden Jahr nicht mehr an die Erfüllung von Funktionen gebunden, sondern an die Lösung konkreter Aufgaben.

Um das Budgetdefizit zu decken, will Moskau in den nächsten drei Jahren Staatsanleihen über 15,9 Milliarden Dollar im Ausland auflegen. Die angekündigte zweite Privatisierungswelle, die die Teilprivatisierung von elf Staatsbetriebe vorsieht, sollte bis 2015 ca. 50 Milliarden Dollar einbringen.

Das wird nicht reichen, meint Jewgenij Gawrilenkow von „Troika Dialog“: Russland werde daher Geld auch im Inland aufnehmen müssen, so allerdings die potenziellen Ressourcen von kreditbedürftigen Privatunternehmern austrocknen.

AUF EINEN BLICK

Nach einem Budgetentwurf für die Jahre 2011 bis 2013 will Russland die Verteidigungsausgaben auf 1,52 Billionen Rubel (+ 19,1 Prozent) steigern. Nur für soziale Zwecke wird die russische Regierung noch mehr ausgeben. Der Kreml will das Militär auch in die groß angekündigte Modernisierung der russischen Wirtschaft einspannen. ■Kritiker der Budgetplanungen führen an, dass die hohen Ausgaben für soziale und Verteidigungszwecke die Modernisierung der Wirtschaft eher behinderten als förderten. Bei ihren Planungen müsste die Regierung stärker auf Ausgaben für Bildung und Förderung von Innovationen setzen. Auch warnen sie vor chronischen Budgetdefiziten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. September 2010)

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