Aserbaidschan: „Über Politik zu schreiben ist zu gefährlich“

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bdquoueber Politik schreiben gefaehrlichldquo(c) EPA (Anatoly Maltsev)
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Nächsten Sonntag wird in Aserbaidschan ein neues Parlament gewählt. Zehn Tage vor der Wahl wachsen Zweifel an der Fairness des Urnengangs. Die Medienfreiheit habe sich „stark verschlechtert“, sagt „Article 19“,

Wien/Baku. Paul Wille drückte sich so aus, wie es sich für einen Mann seines Rangs geziemt: diplomatisch. Man habe in Aserbaidschan eine „friedliche Atmosphäre“ vorgefunden, sagte der belgische Leiter der Europaratsmission. Schade nur, dass derzeit im Land „nichts von einer öffentlichen Debatte“ zu spüren sei.

Dabei hätte Aserbaidschan genug zu diskutieren: Nächsten Sonntag wird ein neues Parlament gewählt. Überraschungen sind nicht zu erwarten: Die Partei „Neues Aserbaidschan“ von Ilham Alijew, 2003 von Vater Heydar als Nachfolger in den Präsidentensessel gehievt, wird wohl auch das neue Parlament dominieren. Die Opposition ist schwach und klagt über Wahlbetrug, Meetings an zentralen Orten werden kaum genehmigt. „Viele Wähler kennen nur eine Sicht – die der regierenden Partei“, notiert ein gestern veröffentlichter Bericht der britischen Medienrechtsorganisation „Article 19“.

Zwei Blogger im Gefängnis

Seit einiger Zeit bewerben sich immer weniger Praktikanten bei der unabhängigen Zeitung „Azadliq“. „Die Jungen wollen nicht über Politik schreiben, es ist zu gefährlich“, sagt ein Journalist. Unterdessen geraten die wenigen unabhängigen Medien in Bedrängnis, laut „Article 19“ hat sich die Medienfreiheit „stark verschlechtert“.

Ein Journalist und zwei Blogger sitzen derzeit im Gefängnis, seit Februar 2010 dürfen Journalisten keine Fotos oder Videos von öffentlichen Personen ohne deren Wissen machen. „Man argumentiert mit dem Schutz der Privatsphäre“, sagt Gulnara Akhundova, Leiterin des aserbaidschanischen Medienzentrums, zur „Presse“. Für Akhundova ist die Behinderung der Berichterstattung Taktik vor der Wahl. Auch für seinen „Diffamierungparagrafen“ ist das Land berüchtigt; nun hat die Regierung eine Reform bis Jahresende angekündigt. „Mal sehen“, sagt Akhundova. Statt Vorfreude rät sie lieber zum Abwarten.

Und die Jugend? In der Millionenstadt Baku gebe es viele Jugendaktivisten und Blogger, erzählt Akhundova. Auf dem Land sehe es anders aus. „Die Jugendlichen dort verwenden das Internet vor allem zum Spielen, Chatten und Daten.“ Die internationale Gemeinschaft solle die Machthaber genau beobachten, fordert die Medienaktivistin, auch wenn sie Interesse an Öl und Gas des Landes habe. Positives Beispiel sei Norwegen: Die norwegische Firma Statoil arbeite eng mit Aserbaidschans Ölgesellschaft zusammen, dennoch sei die norwegische Botschaft in Baku nicht mundtot zu machen: „Die kritisieren sehr heftig die Regierung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2010)

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