Ließ Sarkozy missliebige Journalisten bespitzeln?

Liess Sarkozy missliebige Journalisten
Liess Sarkozy missliebige Journalisten(c) REUTERS (SUZANNE PLUNKETT)
  • Drucken

Dem Enthüllungsmagazin „Le Canard Enchaîné“ zufolge beauftragte Präsident Sarkozy den Geheimdienst der Polizei, Medienleute zu überwachen, die in der L'Oréal-Spendenaffäre recherchierten.

[PARIS/RB]Drei Einbrüche bei französischen Enthüllungsjournalisten nach demselben Muster sind kein Zufall. Beim Online-Magazin „Mediapart“ wurden Computer und CD-Rom gestohlen, die Dokumente zur Bettencourt-Woerth-Affäre enthielten. Auch zwei Journalisten von „Le Monde“ und „Le Point“, die sich für Spenden der L'Oréal-Erbin Bettencourt an die Regierungspartei interessierten, wurden Geräte und Unterlagen geklaut. In diesem Kontext hat jetzt die Wochenzeitung „Le Canard Enchaîné“ enthüllt, der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy kümmere sich persönlich um die Bespitzelung missliebiger Journalisten. Er habe den Chef des polizeilichen Nachrichtendienstes DCRI beauftragt, Medienleute zu überwachen.

Für alle, die wissen, wie sehr sich Sarkozy schon als Innenminister und erst recht als Präsident für Medienkontrolle interessiert, klingt das zumindest plausibel. Häufig greift er selbst zum Telefon, um sich bei Chefredakteuren oder Eigentümern über Berichte zu beschweren. Im Gesetz ließ er verankern, dass er wichtige Personalfragen bei öffentlichen Fernseh- und Radiosendern entscheidet.

Dass aber zur Bespitzelung oder Einschüchterung der Medien eine Art „Geheimkabinett“ existiere, wird sowohl vom Staatspräsidium als auch von DCRI-Chef Bernard Squarcini empört als bösartige Unterstellung dementiert. „Ich bin doch nicht die Gestapo“, meinte Squarcini.

Auch der Innenminister, Brice Hortefeux, ist kategorisch: „Die DCRI ist nicht die Stasi oder der KGB, ihre Aufgabe ist es nicht, Journalisten zu belästigen, sondern Terroristen zu fangen.“

Es wäre nicht das erste Mal, dass davon die Rede ist, dass der Geheimdienst nach Quellen sucht, wenn der Präsident sich angegriffen fühlt. Ein Mitarbeiter der Justizministerin wurde nach Cayenne strafversetzt, weil er Medien Informationen zur L'Oréal-Affäre geliefert hatte. Gefunden hatte ihn der Geheimdienst mithilfe des Mobiltelefonanbieters eines überwachten Journalisten. Auch als Gerüchte über eine angebliche Ehekrise im Präsidentenpalast zirkulierten, soll laut einer kürzlich erschienenen Biografie die Präsidentengattin Carla Bruni selbst damit geprahlt haben, dass sie über Ermittlungsdokumente der DCRI verfüge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.