Unternehmer jubelten dem türkischen Botschafter Tezcan in diplomatischer Vertretung zu.
[WIEN/RED.]Der türkische Botschafter Kadri Ecvet Tezcan hat sich mit seinem Rundumschlag gegen die österreichische Integrationspolitik nicht nur Feinde gemacht. Beim ersten großen Auftritt nach seinem umstrittenen „Presse“-Interview wurde der 61-jährige Diplomat wie ein Held gefeiert. Als er Donnerstagabend in der türkischen Botschaft in Wien das Fest zum 15.Jubiläum des „Verbandes österreichischer und türkischer Unternehmer und Industrieller“ eröffnete, brandete lang anhaltender Applaus auf.
„Er hat uns aus der Seele gesprochen“, raunten sich die türkischstämmigen Manager zu. Und: „Endlich hat einer gesagt: Der König ist nackt.“ Der Botschafter wirkte keineswegs angeschlagen, sondern strotzte vor Selbstbewusstsein. In seiner Rede ging er nicht auf das Interview ein, das ihm eine Vorladung im Wiener Außenamt eingebracht hatte. Im Gegenteil: Er lobte die wundervollen bilateralen Beziehungen.
Doch einzelne Äußerungen konnten durchaus auch doppeldeutig verstanden werden. In einer globalisierten Welt müsse es erlaubt sein, auch andere Länder zu kritisieren, erklärte er. Und: „Meinungsfreiheit ist die Grundlage jeder Demokratie.“ Beide Bemerkungen münzte er auf die Türkei um, doch viele Gäste fassten dies als eine Anspielung auf die harsche Reaktion der österreichischen Regierungsvertreter an seiner Kritik auf.
Beim Empfang in der türkischen Botschaft in Wien machte ein Gerücht die Runde, das auch schon durch Ankara gejagt ist: Tezcan plane eine politische Karriere. Im Wiener Außenamt rechnet man mit seiner baldigen Ablösung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2010)