Der nordkoreanische Angriff auf die südkoreanischen Insel Yeonpyeong traf die Bewohner völlig unerwartet.
Auf der kleinen südkoreanischen Insel Yeonpyeong ist eigens ein Truppenkontingent stationiert, um die nahe gelegene Seegrenze zu verteidigen. Der nordkoreanische Artillerieangriff auf die Insel traf die Bewohner am Dienstag trotzdem völlig unerwartet. In Panik flüchteten sie sich in Bunker, als Dutzende Granaten auf Yeonpyeong niedergingen. Andere ließen alles stehen und liegen, um eine der letzten Fähren zum Festland zu erreichen.
Die Bewohner berichteten von Todesangst: "Blitze und ein Donnern waren an verschiedenen Stellen in unserem Dorf zu sehen", sagte Woo Soo-woo in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. "Verängstigte Dorfbewohner eilten zu nahe gelegenen Luftschutzräumen, während andere in Scharen zum Hafen rannten, um zu fliehen." Auch Woo eilte ohne langes Überlegen zum Hafen und rettete sich mit einer Fähre in die große Hafenstadt Incheon auf dem südkoreanischen Festland.
"Überall stiegen Rauchsäulen auf"
Die 52-jährige Inselbewohnerin Han Mi-soon erzählt der Nachrichtenagentur Yonhap nach ihrer Flucht nach Incheon, dass sie den nordkoreanischen Granatenbeschuss erst für eine Militärübung gehalten habe. "Aber dann sah ich überall Rauchsäulen über den Häusern aufsteigen und Soldaten um uns herum sagten, die Lage sei 'real'." Die Soldaten hätten ihr und ihrer Familie geraten, in einen Luftschutzraum zu fliehen, und hätten dann selbst das Weite gesucht.
"Wir rannten um unser Leben", erzählt Han. Als sie am Hafen angekommen seien, habe die Fähre bereits abgelegt. "Ich schrie mit 20 anderen und winkte sie zurück zu uns", schildert Han ihre dramatische Flucht. Weil sie beim Rennen zur Fähre ihre Schuhe verloren habe, sei sie barfuß an Bord gegangen. Später wurde aus Sicherheitsgründen der gesamte Schiffsverkehr rund um die Insel ausgesetzt, fast 90 Fischkutter und zwei Passagierdampfer in der Umgebung wurden in sichere Gewässer eskortiert.
Nach ihrer Rückkehr zu ihren Häusern werden für die Bewohner von Yeonpyeong die Spuren des Granatenangriffs nicht zu übersehen sein. Auf einigen Hügeln der Insel lösten die Explosionen der Granaten Waldbrände aus. Auch mehrere Häuser gerieten in Brand. Dichte Rauchschwaden hingen über der Insel, die Stromversorgung wurde komplett lahmgelegt. Ein 52-jähriger Bewohner bringt die Fassungslosigkeit über das Chaos und die Zerstörung gegenüber Yonhap auf den Punkt: "Ich lebe hier in dem Dorf, in dem ich auch geboren wurde, aber ich habe noch nie etwas Derartiges gesehen."
Yeonpyeong
Die sieben Quadratkilometer große Insel, die von etwa 1600 Zivilisten bewohnt wird, ist wegen ihrer Lage gefährdet. Sie befindet sich im Gelben Meer in der Nähe der Seegrenze, welche die Vereinten Nationen nach dem Ende des Korea-Kriegs 1953 gezogen haben. Nordkorea erkannte die Grenze nie an, immer wieder gab es in dem Gebiet zwischen den beiden koreanischen Staaten Scharmützel bis hin zu Seeschlachten.
Zur Sicherung der Insel und der umliegenden Gewässer ist auf Yeonpyeong ein südkoreanisches Truppenkontingent stationiert.
(Ag.)