Mächtiger Nachbar: Ohne die ökonomische Hilfe des "großen Bruders" in Peking wäre das nordkoreanische Regime in Pjöngjang bereits am Ende. Nur China hätte die Macht, Nordkorea in seine Schranken zu weisen.
Peking/Wien. Ein einziger Staat hätte tatsächlich die Macht, das nordkoreanische Regime in seine Schranken zu weisen: China. Denn das Reich der Mitte ist weit mehr als der mächtige „Bruder“ der isolierten ostasiatischen Diktatur. Ohne die Verbindungen zum großen Nachbarn könnte das Regime in Pjöngjang nicht überleben.
China ist nicht nur Nordkoreas Haupthandelspartner, aus China kommt auch das Gros an humanitärer Hilfe. Wirtschaftlich hängt das stalinistische Regime vom Reich der Mitte ab – umso mehr, seit Südkorea 2008 den Geldfluss in den Norden von Fortschritten im Atomdialog abhängig gemacht und somit seine Hilfen maßgeblich reduziert hat. Ökonomisch befindet sich Nordkorea offenbar am Boden: Berichte über Naturkatastrophen, Ernteausfälle und Hungersnöte häuften sich in den letzten Jahren.
Nach außen hin gibt sich China zwar gern als objektiver, diplomatischer Vermittler im internationalen Dauerstreit um das nordkoreanische Atomprogramm. Und tatsächlich hat Peking mehrmals Nordkoreas Atomtests verurteilt und UN-Resolutionen zu verschärften Sanktionen unterstützt. Doch mehr als einmal hat das Reich der Mitte auch als geheime Schutzmacht Nordkoreas agiert: zuletzt nach dem mutmaßlichen nordkoreanischen Angriff auf ein südkoreanisches Schiff im Sommer, bei dem 46 südkoreanische Matrosen starben. China hat sich stets geweigert, Pjöngjang dafür die Schuld zu geben.
Strategische Interessen
Die beiden Staaten verbindet die Geschichte: China hat im Korea-Krieg die kommunistischen Einheiten unterstützt und war am Wiederaufbau des neu gegründeten KP-Staates nach Kriegsende 1953 beteiligt. 1961 unterzeichneten beide Länder einen Vertrag, in dem sie einander Unterstützung bei einem eventuellen Angriff zusicherten. Chinas Interesse am armen Nachbarn ist aber weniger ideologisch als strategisch motiviert: Peking sieht Nordkorea als wichtigen Pufferstaat gegen einen zu großen regionalen Einfluss der USA.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2010)