Wie Nordkorea es schaffte, zur Atommacht zu werden

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Gescheiterte Diplomatie: Trotz Sanktionen der UNO und Isolation hat das KP-Regime genug Material für acht Atomsprengköpfe. Damit hat Nordkorea es wieder einmal geschafft, die Welt in Erstaunen zu versetzen.

Peking. Als der US-Atomwissenschaftler Sebastian Hecker kürzlich Nordkorea besuchte, hatten seine Gastgeber eine Überraschung für ihn parat: Sie zeigten ihm eine funkelnagelneue Fabrik zur Anreicherung von Uran, das als Grundstoff für den Bau von Bomben ebenso wie für zivile Zwecke genutzt werden könnte.

Er habe „Hunderte und Aberhunderte“ von Zentrifugen und einen „ultramodernen Kontrollraum“ gesehen, berichtete Hecker nach seiner Rückkehr der „New York Times“. Er sei „völlig perplex“ gewesen, sagte der Amerikaner, der einst das amerikanische Alamo-Atomlabor leitete. Die Nordkoreaner hätten ihm erklärt, dass sie bereits 2000 dieser Zentrifugen installiert und in Betrieb gesetzt hätten. Dies habe er allerdings nicht nachprüfen können.

Damit hatte Nordkoreas Regime es wieder einmal geschafft, die Welt in Erstaunen zu versetzen: Denn in der alten Atomanlage von Yongbyong, wo Hecker die neue Uranfabrik besichtigen durfte, hatte es beim letzten Besuch ausländischer Experten im vergangenen Jahr keine Hinweise auf neue Aktivitäten gegeben. Zudem bestätigte der US-Wissenschaftler Informationen amerikanischer Geheimdienste: Nordkoreanische Techniker haben offensichtlich damit begonnen, einen neuen Leichtwasser-Reaktor zu errichten.

Wusste China von verbotenen Transporten?

Nun rätseln die Experten: Wie und woher konnten sich die Nordkoreaner das Know-how und die nötigen Maschinen besorgen? Denn Zentrifugen und deren Einzelteile dürfen nicht in das abgeschottete Land geliefert werden. Das fordern die Sanktionen des UN-Weltsicherheitsrats, die zuletzt nach den Atomtests Pjöngjangs 2006 und 2009 verhängt wurden.

Kritische Fragen wird sich vor allem Peking gefallen lassen müssen, denn das KP-Regime hat es offenbar versäumt, geheime Transporte zu verhindern. In der Vergangenheit waren Zentrifugen aus Pakistan nach Nordkorea geliefert worden – womöglich mit Flugzeugen, die in China zwischenlandeten.

Nach Schätzungen von Fachleuten besitzt Nordkorea derzeit genug Material für den Bau von acht bis zehn Atomsprengköpfen – allerdings auf der Basis von Plutonium, das aus den Brennstäben des in den Achtzigerjahren von der Sowjetunion gelieferten Yongbyong-Reaktors gewonnen werden konnte. Nordkoreanische Funktionäre haben bereits 2002 zugegeben, an einem Programm für die Urananreicherung zu arbeiten. China, die USA, Südkorea, Japan und Russland haben in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, Nordkorea bei den „Sechs-Länder-Gesprächen“ in Peking zu überreden, sein Atomprogramm zu stoppen. Nordkorea, das aus dem Atomsperrvertrag ausgeschieden ist, lehnte das bisher ab: Wie die USA und China müsse es das Recht auf atomare Aufrüstung haben. Nur so sei Nordkorea vor Angriffen von außen sicher.

Gleichwohl hatte sich Pjöngjang dazu bereit erklärt, den Reaktor in Yongbyong unbrauchbar zu machen und Unterlagen über das Atomprogramm vorzulegen. Als Gegenleistung versprachen die anderen Teilnehmer der Sechs-Länder-Runde Lebensmittel, Öl, Dünger und andere Hilfen in großem Maßstab. Doch die Abrüstungsverhandlungen sind derzeit festgefahren. Die USA und Nordkorea werfen sich gegenseitig vor, Zusagen nicht einzuhalten, Japan hat versprochene Lieferungen nicht geschickt.

Auf die jüngste Enthüllung reagierten sowohl China als auch die USA auffällig zurückhaltend. Die Pekinger Regierung kommentierte die Nachricht überhaupt nicht. US-Politiker erklärten, dies sei „keine Krise“.

Gleichzeitig schickte US-Präsident Barack Obama seinen Sonderbeauftragten für Nordkorea, Stephen Boswell, nach Japan, Südkorea und China, um über ein mögliches gemeinsames Vorgehen zu verhandeln. Boswell traf am Dienstag in Peking ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2010)

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