Südkoreaner fordern "Rache" für Nordkoreas Granaten

(c) REUTERS (LEE JAE-WON)
  • Drucken

Die Zahl der Todesopfer stieg auf vier: Auch zwei Zivilisten starben beim Angriff. Zahlreiche Staaten unterstützten Südkorea. USA und Südkorea planen ab Sonntag ein gemeinsames Militärmanöver im Gelben Meer.

Peking. Zorn, Angst und Ratlosigkeit herrschten am Mittwoch in Südkorea, einen Tag nach dem nordkoreanischen Granatenangriff auf die Insel Yeonpyeong. „Rache!“, skandierten Demonstranten vor dem Verteidigungsministerium in Seoul. Hunderte Bewohner des kleinen Eilands, vor allem Alte, Frauen, Kinder, wurden von der Küstenwache auf das Festland gebracht.

Die Zahl der Todesopfer stieg auf vier: Neben den zunächst gemeldeten zwei getöteten Soldaten wurden in den Ruinen eines Hauses auf der Insel die Leichen zweier Zivilisten gefunden. Unklar blieb, ob es auch in Nordkorea Tote gab. Südkoreas Armee hatte Stellungen im Norden beschossen.

Zahlreiche Staaten unterstützten Südkorea: US-Präsident Barack Obama bekräftigte in einem Telefongespräch mit seinem Pendant Lee Myung-bak die „Solidarität“ der USA mit Seoul, das zu Washingtons engsten Verbündeten zählt. Rund 28.000 amerikanische Soldaten sind im Süden stationiert. Am Sonntag wollen die Flotten beider Länder ein lang geplantes Manöver in den Gewässern vor der Halbinsel starten. Obama schickte den atombetriebenen Flugzeugträger „USS George Washington“ von seinem Stützpunkt in Japan Richtung Korea.

Direkte Gespräche mit Nordkorea

In einem Fernsehinterview rief Obama die „internationale Gemeinschaft“ auf, Druck auf Nordkorea auszuüben. Bislang allerdings haben alle Strafmaßnahmen und Embargos das Regime Kim Jong-Ils nicht davon abhalten können, immer wieder gewaltsame Zwischenfälle zu provozieren und zugleich zielstrebig sein Nuklearprogramm fortzusetzen. Erst vor Kurzem hat Obama ein Dekret erlassen, das Amerikanern verbietet, mit der nordkoreanischen Daesung-Bank und einer weiteren Firma aus Nordkorea zusammenzuarbeiten. Begründung: Beide seien für Pjöngjang in den Drogenhandel und andere illegale Geschäfte verwickelt.

Die Maßnahme macht die Unsicherheit Washingtons deutlich, wie es mit Nordkorea umgehen soll. Ex-Präsident Jimmy Carter rief Obama in der „Washington Post“ auf, eine neue Strategie zu versuchen und sich nicht zu eng an Seoul zu binden. Präsident Lee setzt auf Härte gegenüber Nordkorea. Statt weiterhin darauf zu bestehen, dass Pjöngjang als Vorbedingung für ernsthafte Verhandlungen sein Atomprogramm vollständig aufgibt, müsste Washington dringend mit Kim direkt über einen Friedensvertrag verhandeln, forderte Carter. Der KoreaKrieg (1950 bis 1953) ist formal nicht beendet, da sich die Gegner damals nur auf einen Waffenstillstand einigen konnten.

Ähnlich wie Carter argumentieren Korea-Fachleute in China, die den jüngsten Artilleriebeschuss als Versuch Pjöngjangs verstehen, die USA zu einem Dialog zu zwingen. „Nordkorea macht Druck, zu den Verhandlungen zurückzukehren“, erklärte Cui Zhiying von der Tongji-Universität in Shanghai. Er bezieht sich auf die Sechs-Parteien-Gespräche, die seit fast zwei Jahren unterbrochen sind. An ihnen nehmen außer den beiden Koreas, China und den USA auch Japan und Russland teil. Ziel ist eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel.

Derweil reiste US-Sondergesandter Stephen Bosworth nach Peking. Nach einem Treffen mit chinesischen Diplomaten hieß es vage: „Beide Seiten glauben, dass alle Parteien Anstrengungen unternehmen sollten, um die Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zu schaffen.“ Nach dem jüngsten Zwischenfall richten sich die Blicke wieder auf Peking. Viele Staaten hoffen, China könnte auf seinen nordkoreanischen Verbündeten mäßigend einwirken. Doch Pekinger Funktionäre werden nicht müde zu erklären, dass sie „wenig Einfluss“ auf die Entscheidungen des Kim-Regimes hätten. Bei seinem letzten Besuch in China sei Kim von Staatschef Hu Jintao ermahnt worden, „besser zu kommunizieren“, berichteten Hongkonger Zeitungen. Auch Peking scheint von der Militäraktion Nordkoreas überrascht worden zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Chinas President Hu Jintao delivers a speech in Beijings President Hu Jintao delivers a speech in Beijing
Außenpolitik

"Angst vor dem Krieg hat noch nie geholfen"

Die Entspannungspolitik ist "gescheitert": Südkoreas Präsident droht Nordkorea mit unerbittlicher Vergeltung, das Regime in Pjöngjang erneut mit einem "heiligen Atomkrieg".
The sun rises as South Korean navy ships patrol off Yeonpyeong island
Außenpolitik

Nordkorea warnt vor "nuklearem Holocaust"

Nordkorea warnt vor einem Krieg, sendet aber Signale zur Entspannung an Südkorea aus: "Die Gefahr eines Krieges sollte beseitigt werden".
Nordkorea erhöht Stärke der Spezialeinheiten
Außenpolitik

Nordkorea erhöht Stärke der Spezialeinheiten

Einer südkoreanischen Studie zufolge hat Nordkorea seine Spezialeinheiten in den vergangenen zwei Jahren um 20.000 Mann aufgestockt. In der Analyse wird Nordkorea als "Feind" bezeichnet.
South Korean marines make their way after helping with restoration works at a village destroyed by No
Außenpolitik

Nordkorea droht mit Einsatz von Atomwaffen

Seoul startet ein großes Militärmanöver, Pjöngjang antwortet mit Kriegsrhetorik: Man sei bereit, einen "Heiligen Krieg" zu führen.
In this Tuesday, Dec. 21, 2010 image made available Wednesday, Dec. 22, 2010, South Korean Army soldi
Außenpolitik

Südkorea plant nahe der Grenze größte Schießübung

Die Regierung in Seoul will mit dem Manöver militärische Stärke demonstrieren. Nordkorea soll Anfang der Woche Raketen in Stellung gebracht haben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.