Südkoreas Präsident der wegen seiner Zurückhaltung heftig kritisiert worden ist, droht nun Pjöngjang mit Vergeltung. Welche Gegenmaßnahmen Seoul im Falle eines weiteren Angriffs ergreifen wolle, sagte er nicht.
Seoul. Nahezu eine Woche lang hatte Südkoreas Präsident zum heftigsten Feuergefecht seit Jahrzehnten mit dem Erzrivalen im Norden geschwiegen. Am Montag meldete sich Lee Myung-bak schließlich zu Wort: „Nordkorea wird einen hohen Preis für weitere Provokationen zahlen. Militärische Angriffe auf Zivilisten sind ein unmenschliches Verbrechen, nun müssen wir endlich Taten setzen, hunderte Worte genügen einfach nicht mehr!“, drohte er in einer martialischen TV-Ansprache.
Welche Gegenmaßnahmen Seoul im Falle eines weiteren Angriffs ergreifen wolle, sagte der Präsident allerdings nicht. Lee war in seiner Heimat wegen seiner Zurückhaltung heftig kritisiert worden: Die meisten Südkoreaner sind der Meinung, die Regierung habe nicht harsch genug reagiert, geht aus einer am Montag veröffentlichten Umfrage hervor. Der Verteidigungsminister musste deshalb bereits zurücktreten.
Die Popularität des Präsidenten hat in der vergangenen Woche stark darunter gelitten, es kam immer wieder zu Demonstrationen gegen die Regierung. Gestern protestierten in Seoul etwa 500 Veteranen und verbrannten nordkoreanische Fahnen.
Dialog wäre wie „Belohnung“
Am vergangenen Dienstag hatte Nordkoreas Militär hunderte Granaten auf eine kleine südkoreanische Insel geschossen, das Eiland musste daraufhin evakuiert werden. Das Regime in Pjöngjang hatte behauptet, vom südkoreanischen Militär attackiert worden zu sein. Es ist die schwerste Krise zwischen den beiden Nachbarländern seit Ende des Korea-Krieges 1953.
Der Präsident besuchte am Montag auch die in Südkorea stationierten US-Truppen und dankte ihnen für ihre Unterstützung. Derzeit findet im Gelben Meer ein gemeinsames Manöver des südkoreanischen und US-Militärs statt, was das Regime in Pjöngjang als Provokation empfindet. Auch Peking hat das Manöver kritisiert.
Die chinesische Regierung hat zudem die Wiederbelebung der Sechs-Parteien-Gespräche unter der Beteiligung der USA, Russlands und Japans vorgeschlagen. Der Dialog über das nordkoreanische Atomprogramm stockt seit mehr als einem Jahr, da Pjöngjang sich weigert, Garantien zur nuklearen Abrüstung abzugeben. Nordkorea hat 2006 und 2009 Atomtests durchgeführt.
Lee erwähnte in seiner Rede den chinesischen Vorschlag mit keinem Wort. Tatsächlich ist Seoul skeptisch. Die Wiederaufnahme direkter Gespräche mit Nordkorea zu diesem Zeitpunkt würde das falsche Signal nach Pjöngjang senden, hieß es aus Regierungskreisen: Das Regime würde das Gefühl bekommen, belohnt zu werden.
Ein deutliches Nein kam auch aus Japan: „Es ist inakzeptabel für uns, die Gespräche nur deshalb wiederaufzunehmen, weil die Nordkoreaner Amok laufen“, zitiert das „Wall Street Journal“ den japanischen Außenminister Seji Maehara.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2010)