Die US-Not mit den störrischen Älplern

Die US-Not mit den störrischen Älplern
Die US-Not mit den störrischen ÄlplernÖsterreichs Außenminister Michael Spindelegger und US-Außenministerin Hillary Clinton (c) AP (Susan Walsh)
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Die neue Wikileaks Dokumente zeigen, dass Washingtons Diplomaten irritiert waren, wenn Wien ihren Wünschen nicht entsprach. Und dass Österreich ihrer Meinung nach seine Rolle in der Welt überschätzt.

Wien. „Österreich ist nicht der 51. Bundesstaat der USA.“ Den US-Diplomaten in ihrem Hochsicherheitstrakt in der Wiener Boltzmanngasse schien dieser geografische Exkurs der damaligen Außenministerin Ursula Plassnik im Parlament immerhin von solcher Brisanz zu sein, dass sie ihn 2007 nach Washington kabelten. Sie nahmen ihn als Beleg für eine angeblich „zunehmend populistische Rhetorik“ der österreichischen Diplomatiechefin.

1722 der 251.287 internen und teils geheimen Dokumente des US-Außenministeriums, die sukzessive auf der Enthüllungsplattform Wikileaks im Internet veröffentlicht werden, tragen als Absender die Adresse Boltzmanngasse 16. Am Sonntag zitierte das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erstmals ausgiebig aus den „Vienna Files“, die zum allergrößten Teil allerdings noch nicht für die Allgemeinheit einsehbar sind.

Was die US-Diplomaten jahrelang nach Washington berichteten, ergibt das Bild eines gallischen Dorfes, das sich widerborstig den Wünschen der Weltmacht widersetzt. Und dieser Umstand schien die Abgesandten dieser Weltmacht einigermaßen irritiert zu haben: Die Österreicher brächen kein Geschäft ab oder unterstützten keinen diplomatischen Vorstoß, „nur weil wir es sagen“, heißt es in einem Bericht von 2005, in dem es unter anderem um österreichische Geschäftsbeziehungen zum Iran geht.

„Frustriert“, „nicht erfreut“, „extrem enttäuscht“: Das sind die Worte, mit denen die Autoren der Berichte ihre Gefühlslage über das aus ihrer Sicht störrische Wesen der österreichischen Politik beschreiben. Fazit an anderer Stelle: „In den letzten Jahren war unser Einfluss auf die österreichische Politik äußerst begrenzt aufgrund der Tatsache, dass es sehr wenig gab, was Wien von Washington wollte.“

„Kein Interesse an Außenpolitik“

Was Wien von Washington definitiv nicht wollte, waren Gefangene aus dem US-Lager Guantánamo. Diesbezüglich bissen die USA in Wien auf Granit: „Nein, nein und wieder nein“, sei die Antwort, müssen US-Diplomaten Anfang 2009 die Erfolglosigkeit ihrer beharrlichen Bemühungen melden.

Die Berichte sind nicht frei von Seitenhieben. Im Juni 2009, als Österreich schon seit einigen Monaten stolz im UN-Sicherheitsrat saß, ist von einer „Kluft zwischen dem Bild, das Österreich sich selbst von seiner Rolle in der Welt macht, und seiner tatsächlichen, zunehmend bescheidenen Leistung“ die Rede.

Einstecken muss auch Verteidigungsminister Norbert Darabos: Er sei „uninteressiert an Außen- und internationaler Sicherheitspolitik“ – womit er laut US-Meinung in bester Gesellschaft mit Kanzler Werner Faymann ist – und „offen ablehnend gegenüber Plänen, Truppen auf gefährliche Einsätze ins Ausland zu schicken“. Stimmt nicht, kontert das Ministerium und verweist auf den Tschad-Einsatz, den Darabos gegen massive öffentliche Kritik durchgesetzt habe.

Über Außenminister Michael Spindelegger heißt es, er konzentriere sich darauf, österreichische Wirtschaftsinteressen voranzubringen. Dem will das Außenamt gar nicht widersprechen: Wirtschaftspolitik sei nun einmal ein wesentlicher Bestandteil jeder modernen diplomatischen Interessenvertretung. Eine noch engere Kooperation mit der Wirtschaft sei von Spindelegger daher bewusst zu einer Priorität der österreichischen Außenpolitik erklärt worden.

Weniger erfreut von den Dokumenten dürfte Raiffeisen sein: In einem Memorandum aus dem Jahr 2006 heißt es nämlich, von 292 „verdächtigen“ geschäftlichen Vorgängen, darunter solche mit „Firmenmänteln, die von kriminellen Organisationen genutzt werden“, gingen drei Viertel auf das Konto dieser Bank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 6. Dezember 2010)

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